09.01.2020

Was Gummibärchen mit Biodiversität zu tun haben

Nahaufnahme eines Blattes der Carnaúbapalme
Das Carnaúbawachs überzieht die Blätter der gleichnamigen Palme, um die Pflanze vor der Austrocknung zu schützen. Foto: GIZ.

„Carnaúbawachs?!“ Nicht viele Menschen kennen das Naturwachs, das aus der Palme Copernicia cerifera gewonnen wird. Dabei ist es bei uns alltäglich.

„Carnaúbawachs?!“ Nicht viele Menschen kennen das Naturwachs, das aus der Palme Copernicia cerifera gewonnen wird. Dabei ist es bei uns alltäglich: als Überzugsmittel eben auch auf Gummibärchen und Schokoladen, als Autopolitur, als Trennmittel in Brot oder in Kosmetik wie Lippenstiften und Mascara. 

Die Carnaúbawachs-Produktion, die aufgrund klimatischer Bedingungen nur im Nordosten Brasiliens möglich ist, sieht sich großen Herausforderungen gegenüber. Die Palme, auf deren Blättern sich als Anpassung an das trockene Klima eine Wachsschicht bildet, ist eine Einnahmequelle für viele tausende Familien. Die Ernte der Blätter und die Extraktion des Wachses erfolgen während der sechs Monate andauernden Trockenzeit in einem mühsamen Ernteprozess. Die Blätter werden mit langen Stangen abgeerntet, in der Sonne getrocknet und maschinell oder händisch ausgeschlagen.  

Kleinbauern bei der Ernte der Blättern der Carnaúbapalme. Foto: GIZUm die Palmenart in ihrer natürlichen Umgebung zu erhalten, müssen Arbeitsbedingungen menschenwürdiger und für jüngere Menschen attraktiver werden. Die Bezahlung der Landarbeiterinnen und Landarbeiter muss Familien ernähren können und es braucht technische Innovationen sowie Investitionen in Biodiversitätsschutz. Denn verlieren die Palmen ihren Wert für die lokale Bevölkerung, so gehen sie durch den invasiven, nicht einheimischen Indischen Gummiwein, der die Flächen erobert, verloren. 

Dabei ist die Carnaúbapalme ist wichtiger Bestandteil des Ökosystems Caatinga, einer Trockensavanne. Dieses Gebiet Brasiliens ist extrem von Entwaldung betroffen und eine der ärmsten Regionen des Landes. Die Carnaúbapalmen tragen hier zum Erhalt der Böden und zur Wasserspeicherung bei. Zudem dienen sie als Lebensraum und Nahrungsquelle und sichern so das Überleben anderer Arten.

Wie können die richtigen Instrumente also dabei helfen, den Herausforderungen zu begegnen, diese biodiversitätsrelevante Wertschöpfungskette zu erhalten und Investitionen in den Schutz der Biodiversität zu steigern? Das IKI-Projekt Private Business Action for Biodiversity erarbeitet neben anderen Fallbeispielen für biodiversitätsfreundliche Produktion und Vermarktung in Indien und Mexiko auch das Beispiel Carnaúba in Brasilien.

Initiative for Responsible Carnaúba

Gemeinsam mit Union for Ethical BioTrade (UEBT) und Unternehmen wurde hierzu die „Initiative for Responsible Carnaúba: Sustainable livelihoods, Carnaúba production and preservation of biodiversity in northeast Brazil“ gegründet. Die knapp 20 beteiligten Organisationen, darunter bekannte internationale Unternehmen, entwickeln neue Ansätze für die vielen sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Produktion, einschließlich der Rückverfolgbarkeit.

Drei der wichtigsten Carnaúbawachs-Unternehmen aus Brasilien haben sich der Initiative bereits angeschlossen und setzen die Sozial- und Umweltstandards von UEBT sowie transparentere Prozesse im Einkauf um. Sie informieren Landarbeiterinnen und Landarbeiter über ihre Rechte, organisieren Trainings und verteilen Sicherheitsequipment. Darüber hinaus sind die Unternehmen aufgefordert, Aktionspläne zum Schutz der Biodiversität zu entwickeln. 

EKleinbauer führt einen Esel, der mit Carnaúbapalmenblättern beladen ist.in Unternehmen hat damit bereits begonnen und sammelt seitdem Früchte und Samen aus der Region, um mindestens 25 einheimische Arten wieder aufzuforsten. Die Unternehmen setzen sich auch für Forschung zur Bekämpfung der nicht einheimischen Kletterpflanze ein, die die Carnaúbapalme bedroht. Wie die Unternehmerin Lara Pontes zusammenfasst: „Carnaúba war und ist ein Geschenk in unserer Region hier im Nordosten Brasiliens. Wir haben die Verpflichtung, uns darum zu kümmern. Seit Generationen leben die Menschen davon, und mit unserem Engagement für respektvolle Arbeitsbedingungen, faire, sichere Löhne und Schutz der Biodiversität bereiten wir den Weg für eine bessere Zukunft.“

Handbuch mit guten Praktiken

Um diese guten Praktiken im ganzen Sektor zu etablieren, hat das IKI-Projekt darüber hinaus in öffentlicher Konsultation und gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Associação Caatinga ein Handbuch mit Informationen und Tipps zusammengestellt und auf einem Carnaúba-Seminar im November 2019 vorgestellt. Es kann als PDF auf Englisch und Portugiesisch heruntergeladen werden. Aktuell werden begleitende Lernvideos erarbeitet, die die Feldarbeiterinnen und Feldarbeiter über Whatsapp und Youtube erreichen sollen.

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