Umwandlung der Nahrungsmittelsysteme für mehr Resilienz
Unsere Nahrungsmittelsysteme sind von mehreren Krisen betroffen. Ein IKI-Projekt setzt auf ökosystembasierte Anpassung als Lösungsansatz.
Die Covid-19 Pandemie hat die Nahrungsmittelsysteme rund um den Globus erschüttert. Die Lockdowns beraubten Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern ihrer Existenzgrundlage und schränkten ihre Fähigkeit ein, Lebensmittel zu kaufen. In einigen Ländern wurden zudem informelle Lebensmittelmärkte vorübergehend geschlossen. Schätzungsweise 130 Millionen Menschen sind durch die Auswirkungen von Covid-19 möglicherweise von akuter Ernährungsunsicherheit.
Zusätzlich zu Covid-19 bedroht die Klimakrise die Ernährungssicherheit. Klimatische Gefahren wie anhaltende Dürren, Überschwemmungen und Stürme erhöhen die Bodendegradation. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt davor, dass die Erträge der wichtigsten Getreidekulturen bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich erheblich zurückgehen werden (zwischen 20 bis 45 Prozent bei Mais, 5 bis 50 Prozent bei Weizen und 20 bis 30 Prozent bei Reis), wenn Treibhausgase weiterhin in den derzeitigen Mengen ausgestoßen werden.
Systemische Reaktionen auf fragile Nahrungsmittelsysteme
Der Covid-19-Schock hat gezeigt, dass es dringend erforderlich ist, belastbare Nahrungsmittelsysteme aufzubauen, die die Ernährungssicherheit gewährleisten und gleichzeitig langfristig die natürlichen Ressourcen erhalten. Die ökosystembasierte Anpassung (EbA) ist ein Beispiel für einen solchen systemischen Ansatz. Indem EbA Ökosystemleistungen und Biodiversität wiederherstellt und erhält, bewahrt sie die natürlichen Ressourcen, hilft Menschen, sich an den Klimawandel anzupassen, und bietet zusätzliche Nutzen wie zum Beispiel Ernährungssicherheit.
Ökosystembasierte Landwirtschaft in Guatemala und Indien
In Studien haben TMG Research und ihre Partner im Rahmen des Klima-SDGs-Integrationsprojekts und als Teil der Internationalen Klimaschutzinitiative den Zusammenhang zwischen Nahrungsmittelproduktion und EbA in Guatemala und Indien untersucht.
Zu den Beispielen für EbA-Initiativen, die die Bevölkerung vor Ort mit einbeziehen, zählen Saatgutbanken, die von den Gemeinden geführt werden, um die genetische Vielfalt von Kulturpflanzen und die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft zu fördern, der Anbau in Mischkulturen sowie der Gewässer- und Bodenschutz. Weitere Beispiele sind Maßnahmen zur Wiederaufforstung und die Agroforstwirtschaft, der Aufbau von Kapazitäten im Management von Ökosystemen und Direktzahlungen, die an Landwirte geleistet werden, um den Umweltschutz zu fördern.
In Huehuetenango, Guatemala, haben die EbA-Maßnahmen über einen Zeitraum von zehn Jahren zu einer signifikanten Verbesserung der Erträge an Grundnahrungsmitteln geführt (79 Prozent bei Mais, 62 Prozent bei Kartoffeln und 55 Prozent bei Bohnen). Gleichzeitig stieg die jährliche Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Subsistenzwirtschaft von durchschnittlich vier auf zehn Monate. Während der durch Covid-19 bedingten Schließung von informellen Lebensmittelmärkten Anfang dieses Jahres stellten die verbesserten Agrarökosysteme ein Sicherheitsnetz für die Landwirtschaft Betreibenden und besonders gefährdete Haushalte dar.
Vergleichbare positive Ergebnisse werden in Maharashtra, Indien, beobachtet, wo der Watershed Organisation Trust seit mehr als 25 Jahren eine ökosystembasierte Landwirtschaft fördert. An Studien teilnehmende Landwirte und Landwirtinnen verzeichneten einen stetigen Anstieg der Nahrungsmittelverfügbarkeit in ihren Haushalten, von durchschnittlich sieben Monaten in 2009 auf rund zehn Monate in 2017. Investitionen in eine verbesserte Wasserwirtschaft sowie in die Diversifizierung von Nutzpflanzen machten die landwirtschaftlichen Produktionssysteme in dem semiariden Bundesstaat widerstandsfähiger gegenüber Stürmen, Dürren und externen Extremereignissen wie Covid-19.
Ökosystembasierte Anpassung ermöglichen, um Ernährungssicherheit zu schaffen
Diese Fallstudien zeigen, dass ein ökosystembasierter Ansatz für die Landwirtschaft zum Aufbau von lokal angepassten und resilienteren Nahrungsmittelsystemen beitragen kann. Damit sich die erforderlichen Veränderungen in einem ausreichenden Umfang realisieren lassen, muss jedoch ein Umfeld geschaffen werden, dass es den Landwirtschaft Betreibenden ermöglicht, in widerstandsfähige und produktive Agrarökosysteme zu investieren und diese zu schützen.
TMG Research und ihre Partner arbeiten daran, durch strategische Allianzen und innovative Formen der Zusammenarbeit die Rahmenbedingungen für eine EbA zu schaffen. In Guatemala hat TMG Research zusammen mit dem WWF Mesoamerica und ADIMI ein Konsortium aus verschiedenen Interessengruppen gegründet. Das Konsortium, dem über 30 Institutionen angehören, verfolgt die gemeinsame Vision, die EbA in Guatemala in einem größeren Maßstab umzusetzen.
Die Arbeit des Konsortiums umfasst unter anderem, die EbA in bestehende Richtlinien zu integrieren, sowie interinstitutionelles Lernen zu fördern, Überwachungssysteme zu stärken und die finanziellen Mechanismen zur Unterstützung von EbA-Maßnahmen zu entwickeln (weitere Informationen finden Sie hier).
In Indien konzentriert sich das von TMG Research und WOTR umgesetzte Projekt auf die Entwicklung einer evidenzbasierten und bedarfsorientierten Roadmap, um die EbA in die sektoralen Richtlinien und Programme zu integrieren. Zu den Ansatzpunkten für eine Integration der EbA in die Landwirtschaft gehört es, ökosystembasierte Ansätze in der Entwicklung von Wassereinzugsgebieten und staatliche Vorzeigeprogramme wie den Plan zur „Verdopplung des Einkommens von Landwirten“ zu fördern.
„Building Back Better“ — oder mit Blick nach vorne
Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die klimatischen Risiken und die beschleunigte ökologische Degradation unterstreichen, wie wichtig es ist, den Zusammenhang zwischen Landwirtschaft, Ernährung und Klima anzugehen. Es gibt eine Reihe von Gelegenheiten, wie zum Beispiel den Welternährungsgipfel, um Impulse für stärker integrierte Richtlinien und Programme zu geben. Die Ideen müssen jedoch in Maßnahmen umgesetzt werden, die für die Gemeinschaften auf lokaler Ebene sinnvoll sind. Schließlich sind es diese Gemeinschaften, die im Kampf um den Aufbau einer sozioökonomischen und ökologischen Resilienz gegenüber den vielfältigen Krisen des 21. Jahrhunderts an vorderster Front stehen.
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