21.05.2014

Tui Ratu Wili und das Cakaulevu

Korallenriff
Korallen Great Sea Reef Fidschi, Quelle: © Jürgen Freund

Ein IKI Projekt unterstützt fünf kleine Inselstaaten in der Südsee dabei, die biologische Vielfalt in ihren marinen Schutzgebieten zu erhalten. Auf den Fidschi Inseln kann das Korallenriff Great Sea Reef, ein einzigartiger Biodiversitäts-Hotspot, mithilfe des Projekts gerettet werden. 

Ratu Wiliame Katonivere hat Sorgen. Nachdem sein Bruder letztes Jahr verstarb, musste Ratu Wiliame, kurz: Ratu Wili, seine Nachfolge als Tui angetreten. Ein Tui ist der oberste Führer mehrerer Klans innerhalb der fidschianischen Gesellschaft. Ratu Wili ist nun Tui und zugleich der staatlich bestellte Ratsvorsitzende von Macuata, einer Provinz im Norden der Fidschi Inseln. Zu seinen Verantwortlichkeiten gehört seit seinem Amtsantritt auch die Verwaltung von Nutzungsrechten an marinen Ressourcen am Great Sea Reef, einem Korallenriff, welches mit über 200 km Ausdehnung als das drittlängste durchgängige Barriereriff der Erde gilt. Seit vielen Jahren ist die Erhaltung des Riffs in Macuata ein wichtiges Thema für die Bevölkerung, eine Initiative, die sein Bruder vor rund 10 Jahren ins Leben rief. Keine leichte Aufgabe, denn ungeachtet vieler Erfolge gibt es jetzt Schwierigkeiten. In Ratu Wili‘s Klans regt sich mehr und mehr Unmut.

Great Sea Reef - ein Biodiversitäts-Hotspot

Rückblick: Cakaulevu, so der fidschianische Name für das Great Sea Reef, ist ein Biodiversitäts - Hotspot. 2004 fanden internationale und fidschianische Wissenschaftler in einer Feldstudie unter der Federführung des WWF heraus, dass das Meer vor der Nordküste von Fidschis zweitgrösster Insel, Vanua Levu, eine enorme biologische Vielfalt beherbergt. An den inneren und äusseren Riffhängen, den Saumriffen mangrovenbestandener Inseln innerhalb des Barriereriffs sowie im Flachwasser und in den Seegraswiesen fand sich eine Vielzahl neuer und endemischer Arten von bisher in Fidschi nicht dokumentierten Algen, Fisch- und Wirbellosenarten. Ausserdem konnten neben der grünen Meeresschildkröte und dem Spinner Delfin 10 Fischarten nachgewiesen werden, die auf der roten Liste bedrohter Arten bei der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) stehen.

Great Sea Reaf. Quelle: © Jürgen Freund

Biologische Vielfalt gefährdet

Aus den Ergebnissen der Untersuchung entstand eine umfangreiche WWF-Studie über die Vielfalt aber auch Gefährdung dieses bedeutenden Ökosystems in der fidschianischen Inselwelt. Extensiver und illegaler Fischfang, nicht nachhaltige Fangmethoden sowie die Meeresverschmutzung durch küstennahe Zucker- und Holzindustrie gefährden die biologische Vielfalt am Riff. Ausserdem werden durch Rodung und Anbau an steilen Hängen im Inselinnern Sedimente ins Meer gespült, die das Riff zusätzlich belasten und verändern. Als vor rund 10 Jahren bekannt wurde, wie sehr das Great Sea Reef bedroht ist, war noch Ratu Wilis Bruder das zuständige Klan Oberhaupt. Er verstand damals sofort, dass der Erhalt des Riffs nicht nur aus internationaler Sicht von grosser Bedeutung ist. Auch die lokale Bevölkerung hatte sich bereits über den Rückgang der Fischbestände am Riff beklagt, was gleichzeitig eine Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen bedeutete. Die Notwendigkeit eigener Anstrengungen zur Rettung der biologischen Vielfalt am und um das Cakaulevu wurde auch aus diesen Gründen nie von den Chiefs in Macuata in Frage gestellt.

Taucher am Great Sea Reef, Quelle: © Jürgen FreundBewirtschaftungsplan und Netzwerk schaffen Abhilfe

37 Küstendörfer in der Provinz entschieden sich daraufhin für einen nachhaltigen Bewirtschaftungsplan der betroffenen Meeres- und Küstenzonen. Nach umfassenden Beratungen entstand ein Konzept, welches unter anderem Schutzzonen von 50 Quadratkilometern sowie konkrete Schutzzeiten für das Gebiet beinhaltete. Es legte Fangquoten fest und verbat umweltschädliche Fangmethoden. Mit Hilfe des nationalen Netzwerks der lokal verwalteten Meeresgebiete FLMMA (Locally Managed Marine Areas), des WWF, der Universität im Südpazifik sowie der fidschianischen Fischereibehörde wurde die Bevölkerung über die neuen Nutzungsregeln informiert. Dorfbewohner erhielten eine Ausbildung als ehrenamtliche Fischereiaufseher, damit sie die Einhaltung dieser Regeln überwachen und das Monitoring der Fänge unterstützen konnten. Ratu Wili’s verstorbener Bruder, Ratu Aisea, erhielt 2006 für den vorbildlichen Bewirtschaftungsplan und sein gut funktionierendes Netzwerk namens „Macuatu Marine Protected Area Network“ den „Global Ocean Conservation“ Umweltpreis. Ein Preis, der jedes Jahr am 8. Juni, am Internationalen Tag des Meeres von sechs weltweit tätigen Umweltorganisationen verliehen wird.

Das schwere Erbe des Bruders

Als neu gewählter Tui Macuata tritt Ratu Wili kein leichtes Erbe an. Da er selbst vor rund 10 Jahren bei der Einrichtung und Unterstützung der ersten Schutzzonen am Great Sea Reef mitgewirkt hatte, kennt er die Herausforderungen des Bewirtschaftungsplans aus eigener Erfahrung. Nachdem die Umsetzung des Plans eine Zeit lang recht gut funktionierte, beklagen sich inzwischen einzelne Dorfgemeinschaften bei ihrem neuen Oberhaupt, sie seien damals nicht ausreichend für die unter Schutz gestellten Gebiete entschädigt worden. Andere Dörfer stellen jetzt die 2004 gezogenen Grenzen der Schutzzonen wieder in Frage. Ratu Wili weiss, dass durch den kontinuierlichen Rückgang der Fänge unbedingt alternative Einkommensquellen gefördert werden müssen. Als Anführer muss er es schaffen, bei der Bevölkerung eine grössere Toleranz für die Erhaltung der marinen Ressourcen zu bewirken. Die Chancen, seine Probleme langfristig zu lösen, stehen jedoch nicht schlecht. Von seinem verstorbenen Bruder hat der heutige Chief gelernt, dass es im pazifischen Raum viele internationale Partner für lokale Initiativen gibt, die sich für den Schutz der biologischen Vielfalt einsetzen.

Ein IKI Projekt zum Erhalt der biologischen Vielfalt im Pazifik

Das von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) geförderte Projekt „Management der Meeres- und Küstenbiodiversität in pazifischen Inselstaaten und Atollen“, kurz: MACBIO, unterstützt fünf Südsee-Länder (Fidschi, Kiribati, Salomonen, Tonga und Vanuatu) dabei, ihre Ziele für 2020 im Rahmen des Strategischen Plans für die Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity - CBD) zu erreichen. Das deutsche Umweltministerium (BMUB) finanziert das MACBIO Projekt über die IKI von 2013 bis 2018 mit rund 8 Millionen Euro. Projektdurchführer ist die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), in Kooperation mit dem Weltnaturschutzverband, IUCN, und dem regionalen Sekretariat des Pazifischen Umweltprogramms SPREP (Secretariat of the Pacific Regional Environment Programme). Zu den Projektmassnahmen gehört unter anderem auch die ökonomische Bewertung von Meeres- und Küstenökosystemen, das heisst eine genaue Berechnung darüber, welchen monetären Wert das Ökosystem tatsächlich besitzt. Dabei werden die Kosten des Verlustes von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen mit den Kosten für den Schutz und einer nachhaltigen Nutzung verglichen. Ergebnisse, die dann jeweils in die nationalen Entwicklungspläne einfliessen und bei ökonomischen Planungsprozessen berücksichtigt werden. Im Fokus der Massnahmen steht vor allem die Absicht, die kleinen Inselstaaten dabei zu unterstützen, marine Schutzgebiete auf die Anforderungen zur Erhaltung von Ökosystemen auszurichten und zu erweitern.

Tui Ratu Wili, Quelle: GIZRatu Wili und MACBIO

Durch das fidschianische Umweltministerium erfährt Tui Ratu Wili von dem MACBIO Projekt. Eine Teilnahme des Distrikts Macuata an dem Vorhaben, das erkennt er sofort, bietet ihm die grosse Chance, das Great Sea Reef in Zukunft viel besser schützen zu können. Denn die langfristige Einkommenssicherung der Bevölkerung in seinem Distrikt ist zum zentralen Thema seiner Regentschaft geworden. Ausserdem ist es ihm wichtig, die Bemühungen seines Bruders fortzuführen, das Cakaulevu mit all seiner Vielfalt zu bewahren. Zwei Herausforderungen, bei denen MACBIO ihn unterstützen wird. Beispielsweise durch eine Beratung, wie Schutzgebiete effektiv bewirtschaftet werden können. Das von Ratu Wilis Bruder ins Leben gerufene Netzwerk „Macuatu Marine Protected Area Network“ ist nun sogar als Positivbeispiel für die anderen Projektteilnehmerländer identifiziert worden. Es soll als bewährtes Vorbild für das Management von Meeresschutzgebieten einschliesslich der Zahlungen für Umweltleistungen und den sich daraus ergebenen Nutzen dienen.

Nachhaltige Bewirtschaftung bringt nur Vorteile

Die kleinen Inselstaaten in der Südsee, Vulkaninseln und Atolle, leiden besonders unter den Folgen des Klimawandels. Der nachhaltige Schutz der Meeres- und Küstenbiodiversität wirkt sich gleichermassen positiv auf die Anpassung an den Klimawandel, die Kohlenstoffspeicherung und die Einkommenssicherung der Bevölkerung aus. Denn auf den Inseln leben die Menschen in erster Linie von der küstennahen Kleinfischerei, Obst- und Gemüseanbau und vom Tourismus. Die Zuckerindustrie, vormals Haupteinkommensquelle in Fidschi, ist mit dem Einbruch des Zuckerpreises am Boden. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der vielfältigen marinen Ressourcen im Südseeraum stabilisiert somit auch langfristig die Einkommenssicherung der lokalen Bevölkerung, denn hier wird zunehmend auf einen nachhaltigen, Naturschutz orientierten Tourismus gesetzt. Die Unterstützung lokaler Gemeinden bei einer effektiven Bewirtschaftung ihrer Küsten- und Meeresgebiete kommt gleichzeitig auch Flora und Fauna zu gute. Das Ökosystem in den geschützten Zonen kann sich regenerieren und die Artenbestände sind somit in der Lage, sich zu erholen und über die Grenzen des Refugiums hinaus zu verbreiten. Dies gilt speziell für die Erhaltung von gefährdeten und endemischen Arten im westlichen Südpazifik.

Auch Dank der Bemühungen und Visionen von Tui Ratu Wili besteht nun die Hoffnung, dass das Korallenriff Cakaulevu mit seinen 200 Kilometern Länge, der seltenen Grünen Meerschildkröte und seinen vielen endemischen Fischarten als ein einzigartiger Biodiversitäts-Hotspot erhalten bleibt.

Der Link wurde in die Zwischenablage kopiert

Kontakt

IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

iki-office@z-u-g.org

Videos zum Projekt

Diese Inhalte können nicht angezeigt werden, da die Marketing-Cookies abgelehnt wurden. Klicken Sie hier , um die Cookies zu akzeptieren und das Video anzuzeigen!

Diese Inhalte können nicht angezeigt werden, da die Marketing-Cookies abgelehnt wurden. Klicken Sie hier , um die Cookies zu akzeptieren und das Video anzuzeigen!

Meldungen zum Projekt

Zwei Arbeiter mit Schutzhelömen stehen auf einer Solardachanlage und säubern sie mit Wasser und Wischer.
03.03.2017

QBook – ein „Kochbuch“ für Raumplaner in der Pazifikregion

weiterlesen QBook – ein „Kochbuch“ für Raumplaner in der Pazifikregion
Ein großes rundes Riff
03.09.2014

UN-Gipfel der kleinen Inselstaaten: Gemeinsam für Klimaschutz und biologische Vielfalt

weiterlesen UN-Gipfel der kleinen Inselstaaten: Gemeinsam für Klimaschutz und biologische Vielfalt