Schutz für Brasiliens Küstenbiodiversität
IKI-Projektleiterin Dörte Segebart (GIZ) über integrierte Umweltraumplanung und die Einbeziehung von lokalen Gemeinschaften in Brasilien.
Die einzigartige Biodiversität der brasilianischen Meeres- und Küstenzone ist durch intensive Nutzung, Besiedlung und Verschmutzung bedroht. Dörte Segebart von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist Projektleiterin des IKI-Projektes „Schutz und Integriertes Management von Meeres- und Küstenbiodiversität (TerraMar)“ spricht im Interview über integrierte Umweltraumplanung, die Einbeziehung von lokalen Gemeinschaften in Brasilien und warum Plastikmüll eine Einkommenquelle sein kann.
Die biologische Vielfalt an Brasiliens Küste ist einzigartig. Sie ist jedoch zunehmend in Gefahr. Was sind die größten Bedrohungen?
Dörte Segebart: Die Biodiversität von Brasiliens über 8000 Kilometer langen Küste ist durch menschliche Aktivitäten bedroht, beispielsweise durch Öl- und Gasbohrungen und industrielle Fischerei. Aber auch vom Land kommen Bedrohungen. Der Eintrag von chemischen Gewässerbelastungen aus der Landwirtschaft, beispielsweise durch Zuckerrohr, Eukalyptus, Obstanbau, aus den urbanen Zentren (Industrie und private Haushalte) sowie aus dem Berg- und Tagebau gefährden die sensiblen Ökosysteme und führen beispielsweise zu Fischsterben. Exemplarisch steht dafür die Katastrophe 2015 in Mariana/Minas Gerais. Dabei vergiftete der Dammbruch eines Staubeckens mit belastetem Schlamm einer Minenfirma 600 Kilometer des Flusses Rio Doce sowie mehrere hundert Kilometer Küste und Meeresgebiet um die Mündung herum.
Welche Ökosysteme sind besonders betroffen?
Starke Erosionsprozesse durch Umwandlung von Wald- zu Weideland, vor allem Abholzung der Galeriewälder an Ufersäumen, führen zu einer hohen Sedimentfracht der Flüsse. Das bedeutet, dass unter anderem mehr Sand und Schlamm ins Meer getragen wird und die Korallen stark beeinträchtigt. Diese sind zusätzlich durch den zunehmenden Tourismus und den globalen Klimawandel gefährdet. Eine bekannte Auswirkung ist beispielsweise die Korallenbleiche. Besorgniserregend ist auch die Abholzung der Mangroven aufgrund von Urbanisierungsprozessen, vor allem des Tourismussektors, zum Beispiel beim Bau von Strandressorts. Auch die Ausbreitung von Aquakultur, überwiegend für die konventionelle Garnelenzucht, trägt zur Rodung von Mangrovenwäldern sowie zu starken Gewässerbelastungen bei.
Was wird bisher dagegen unternommen?
Brasilien hat bereits über 25 Prozent seiner Meeres- und Küstengebiete unter Schutz gestellt, allerdings oftmals unter einem relativ geringen Schutzstatus. Die zunehmende Schwächung von Umweltinstitutionen und die Aufhebung bestehender Schutzmechanismen und -regelungen weisen jedoch auf die Fragilität der Biodiversitätspolitik hin.
Auch Ihr Projektteam leistet mit Unterstützung der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) einen Beitrag. Eine der Maßnahmen ist ein integrierter Ansatz zur Umweltraumplanung. Was versteht man konkret darunter?
Um Lösungen für die genannten Probleme zu finden, müssen verschiedene Politikfelder besser aufeinander abgestimmt sein und gemeinsame Ziele verfolgen. Das setzt eine entschieden bessere Zusammenarbeit unterschiedlicher Institutionen voraus. Beispielsweise müssen Fischerei-, Landwirtschafts- und Industriepolitik mit den Zielen der Umweltpolitik abgestimmt werden und an gemeinsamen Zielen für die Regionalentwicklung ausgerichtet werden. Das Konzept des Integrierten Küstenzonenmanagements beinhaltet diese Prinzipien. In einer Pilotregion im Süden des Bundesstaates Pernambuco wurden beispielsweise in einem partizipativen Raumplanungsprozess die wirtschaftlichen Aktivitäten des Tourismussektors mit denen der traditionellen Fischerei durch die Einrichtung von Nutzungszonen und -regelungen miteinander in Einklang gebracht.
Warum ist die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung beim Schutz von Meeres- und Küstenbiodiversität so wichtig?
Ein Großteil der traditionell lebenden Bevölkerung, wie Indigene und lokale Fischergemeinschaften, beziehen ihre Lebensgrundlage direkt aus der Nutzung der Küsten- und Meeresbiodiversität und sind daher durch ihre Zerstörung oder Belastung direkt betroffen. Beispielsweise verunreinigte 2019 ein Ölteppich die Küste Brasiliens über mehrere Monate, was sich sofort negativ auf die Tiere und Pflanzen auswirkte und in der Folge zu einem Fang- und Verkaufsverbot von Fischereiprodukten führte.
Die lokale Bevölkerung konnte kein Einkommen mehr erwirtschaften und ihre Selbstversorgung nicht mehr gewährleisten. Sie hatte auch keine Rücklagen oder Versicherungen für diese Krisensituation. Diese Gruppen sind direkt abhängig von den Naturressourcen, besonders verwundbar und daher langfristig interessiert am Erhalt der Naturressourcen.
Wie unterstützt das Projekt diese Gruppen?
Um den Erhalt der Biodiversität langfristig sicherzustellen, wird neben dem Schutz auch auf eine nachhaltige Nutzung der Naturressourcen gesetzt. Gruppen traditioneller Nutzender spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Projekt unterstützt die partizipative Erstellung von Managementplänen für nachhaltige Fischerei in besonderen Küsten- und Meeresschutzgebieten, in denen eine nachhaltige Nutzung durch traditionell lebende Bevölkerungsgruppen zugelassen ist.
Eine besonders betroffene Gruppe sind dabei Frauen, die noch um ihre Anerkennung und soziale Absicherung als Fischerinnen kämpfen. Die Stärkung von Fischerinnennetzwerken, Unterstützung auch beim Aufbau alternativer Einkommensquellen durch Weiterbildung und Nutzung digitaler Lösungen gehören daher ebenfalls zu den Projektaktivitäten.
Das Vorhaben arbeitet auch zur Bekämpfung von Meeresmüll, unter anderem mit einem Pilotprojekt. Welchen Ansatz verfolgt dieses?
Beim Pilotprojekt „Renda para Catadores, auf Deutsch „Einkommen für Müllsammlerinnen und Müllsammler“ in den Bundesstaaten Pernambuco und Alagoas geht es um die Erweiterung der Einkommensmöglichkeiten der Menschen, die Müll in der Stadt, aber auch am Strand und Flussufern, sammeln. Der Fokus liegt im Moment auf der Weiterverarbeitung von Plastikmüll zu Pellets und in einer weiteren Stufe zu recycelten Plastikprodukten. Müllbeseitigung aus der Umwelt und damit Schutz der Biodiversität, Einkommensschaffung und Umweltbildung gehen hier Hand in Hand. Die Aktivitäten beinhalten auch eine Analyse des kommunalen Abfallmanagements und der regionalen und nationalen Recyclingwertschöpfungskette und geben Impulse zu deren Stärkung, zu Müllvermeidung und Bekämpfung von Meeresmüll.
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Kontakt
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Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
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Interviewpartnerin
Dörte Segebart von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist Projektleiterin des IKI-Projektes „Schutz und Integriertes Management von Meeres- und Küstenbiodiversität (TerraMar)“