28.10.2024

Schutz der Biodiversität durch indigene und lokale Lösungsansätze

Ein alter schwarzer Mann hält eine kleine Axt in der rechten Hand. Mit der linken Hand hält er sich an einem Stab fest.
Ramoma Pierre - erster Inhaber des Erbes des heiligen Waldes von Ambondrombe.

Die Einbeziehung und aktive Beteiligung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften ist von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Biodiversitätsziele und die Bewältigung der miteinander verknüpften globalen Krisen

Indigene Völker und lokale Gemeinschaften werden seit 2008 von der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) und der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen (International Union for Conservation of Nature, IUCN) offiziell als wichtige Akteure im Naturschutz anerkannt. Im Jahr 2022 verabschiedeten Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal (GBF) benennt die CBD indigene Völker und lokale Gemeinschaften zudem als Schlüsselakteure bei der Umkehrung des Biodiversitätsverlustes und der Anpassung an den Klimawandel sowie für den Klimaschutz.

Die von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften geschützten Gebiete, die als ICCA (Indigenous Peoples and Community Conserved Territories and Areas) – auch als „Territories of Life“ (Gebiete des Lebens) bekannt – sind Wiegen der biologischen und kulturellen Vielfalt und entscheidend für sämtliches Leben auf der Erde.  Trotz dieser Anerkennung in den internationalen Foren fehlt es auf nationaler und lokaler Ebene immer noch an Bestrebungen die entscheidende Rolle von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften bei der Umsetzung der Biodiversitätsziele anzuerkennen.

Seit 2014 befasst sich die Globale Unterstützungsinitiative für Territorien und Gebiete, die von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften geschützt werden (ICCA-GSI), mit dieser mangelnden Anerkennung von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften, ihren Rechten und ihrem wertvollen Beitrag zum Biodiversitätsschutz. Die ICCA-GSI ist eine Initiative mehrerer Partner, die vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) im Rahmen des GEF Small Grants Programms (SGP) mit Fördermitteln aus der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) umgesetzt wird.

ICCA-GSI: über 600 gemeinschaftsbasierte Projekte in 45 Ländern

Die Einbeziehung und aktive Beteiligung von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften war der Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung von 655 gemeinschaftsbasierten Projekten in Phase 1 der ICCA-GSI. Die Projekte wurden zunächst von 2014 bis 2022 in 26 Ländern umgesetzt, um die allgemeine Wirksamkeit von ICCA zu fördern, und von 2020 bis 2024 im Rahmen der ICCA-GSI Corona-Response-Initiative als Teil des IKI-Corona-Response-Pakets des BMUV auf 45 Länder ausgeweitet, um indigene Völker und lokale Gemeinschaften bei der Bewältigung dieser neuen Herausforderung zu unterstützen.  Die Arbeit der ICCA-GSI wird in Phase 2 (Ende 2024/Anfang 2025-2028) in 50 Ländern fortgesetzt, um die Anerkennung von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften im Hinblick auf die Erreichung der Ziele 3, 21,22 und 23 des GBF zu verbessern.

Die selbst gesetzten Prioritäten der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften waren der Maßstab für die Initiativen zur Bekämpfung verschiedener standortspezifischer Bedrohungen. Eine Reihe von Projektaktivitäten wurde genutzt, um die rechtliche Unterstützung für die Anerkennung und den Erhalt der ICCA, den Schutz von Ökosystemen, die Resilienz gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, nachhaltige Lebensgrundlagen, die Armutsbekämpfung, den Schutz von traditionellem Wissen und die Erholung von der Coronapandemie zu erreichen.  Infolgedessen wurden mehr als 11,3 Millionen Hektar indigener und gemeinschaftlicher Territorien positiv beeinflusst, wovon mehr als 1,9 Millionen indigene Völker und lokale Gemeinschaften profitierten, darunter 52 % Frauen. Ein Anstieg der Einnahmen um 20 Prozess wurde auch aufgrund von Wiederherstellungsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Response-Initiative gemeldet.

Gesicherte Landrechte in Madagaskar

Reisterrassen mit heranwachsenden Pflanzen
Wassermanagement für den Reisanbau in Madagaskar.

In Madagaskar wurden die traditionellen Verwaltungssysteme von der madagassischen Regierung anerkannt und die Landrechte von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften durch direkte finanzielle und fachliche Unterstützung für 154.585 Menschen, die in ICCA im Zentrum Madagaskars leben, gesichert. Schulungen zu Landübertragungsmechanismen ermöglichten es den indigenen Völkern, mit den Regierungsbehörden Gespräche über ihre selbstbestimmten Prioritäten und die Aufwertung der biokulturellen Diversität in ihren ICCA aufzunehmen. Im Gegenzug wurden die Landrechte gesichert, indem die Regierung 63 Verträge über die Übertragung der Verwaltung von 135.824 Hektar Land in ICCA unterzeichnete. 

Die territoriale Kartierung der Landnutzung und die Wiederbelebung verloren gegangener traditioneller Erhaltungsmethoden führten auch zu einem besseren Management, einer verbesserten Weitergabe von traditionellem Wissen zwischen den Generationen und einer Steigerung der Nahrungsmittelproduktion um 30 Prozent. Darüber hinaus verfügen die Regierung und die madagassischen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner in Anerkennung erfolgreicher indigener Methoden nun über gemeinsame Arbeitspläne und eine geteilte Verwaltungsverantwortung für die Wiederherstellung degradierter Flächen in den Tapia-Wäldern – einem Schutzgebiet der Regierung und dem letzten erhaltenen Primärwald im zentralen madagassischen Hochland. Diese neuen Partnerschaften sind ein Beispiel für die gleichberechtigte, integrative und wirksame Einbeziehung von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften in die Beschlussfassung im Bereich des Naturschutzes und der Biodiversität und leisten einen Beitrag zu Ziel 22 des GBF.

ICCA-GSI unterstützte Volk der Wampís bei der Registrierung ihres Gebiets als ICCA

Bewaldete Hänge. In der Mitte des Bildes ist ein großer Fluss.
Wald auf dem Gebiet der Wampís

In Peru konnte das Volk der Wampís den Wert ihrer Wälder ermitteln und die entscheidende Rolle ihrer Wälder beim Klimaschutz und der Wasserversorgung für drei Andenländer mit direktem Zugang zu Finanzmitteln durch die ICCA-GSI hervorheben. Das Volk der Wampís lebt seit über 7.000 Jahren im Amazonaswald und schützt über 1,3 Millionen Hektar des größten Tropenwaldes der Welt innerhalb der Grenzen Perus. Seit Jahrzehnten erteidigt das Volk der Wampís seine Wälder gegen die Bergbauindustrie. Mit fachlicher Unterstützung erstellten sie einen Bericht, in dem hervorgehoben wird, dass die Wälder, die sie schützen, dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen, indem sie 522 Millionen Tonnen Kohlenstoff speichern und 57 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr binden.

Darüber hinaus trägt die Evapotranspiration von schätzungsweise 34,5 Milliarden Litern Wasser, die täglich in den Wäldern des Volkes der Wampís stattfindet, zu den Niederschlagsmustern und der Wasserversorgung in Kolumbien, Ecuador und Peru bei. Dies unterstreicht, dass der Kampf des Volkes der Wampí grenzüberschreitend ist und dazu beiträgt, die globalen Umweltleistungen durch den Schutz und die Bewahrung des lokalen Bodens zu erhalten. Das Volk der Wampís hat sein 1,3 Millionen Hektar großes Gebiet außerdem erfolgreich als ICCA in der Weltdatenbank für Schutzgebiete und im Global ICCA Registry registriert und ist nun in der weltweiten Zählung der Schutzgebiete enthalten, was zur Erreichung von Ziel 3 des GBF beiträgt.

Dokumentation von traditioneller Medizin im Senegal und Kenia

Im Zuge der weltweiten Coronapandemie ist die traditionelle Medizin für indigene Völker und lokale Gemeinschaften wieder wichtiger denn je geworden. Das gesamte Spektrum der traditionellen medizinischen Praktiken ist jedoch nicht dokumentiert, da das traditionelle Wissen mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wird und größtenteils nur von Anwender*innen der traditionellen Medizin (traditional medicine practitioners, TMP) bewahrt wird.  Daher arbeiteten die Projekte in den meisten Teilnehmerländern der ICCA-GSI mit TMP zusammen, um die richtige Verwendung von Heilpflanzen zu dokumentieren und zu verbreiten. Im Senegal wurde ein „Répertoire des Plantes Medicinales“ entwickelt, das eine ethnobotanische Analyse einer ganzen Reihe von Pflanzen enthält, die für verschiedene Krankheiten und Beschwerden identifiziert wurden, sowie neu getestete Pflanzen, die für die Behandlung von gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit Corona in Frage kommen.  Auch die senegalesische Regierung nutzte das Verzeichnis und stützte sich auf traditionelles Wissen, um Lösungsansätze für die Pandemie zu finden.  Die englische Version wurde zur Verfügung gestellt, um das Wissen über traditionelle Medizin und Innovationen von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften mit einem breiteren Publikum zu teilen, einschließlich Gesundheitsfachleuten, NGOs, gemeinschaftsbasierte Organisationen, Akademikerinnen und Akademikern und anderen lokalen und nationalen Behörden, und um damit einen Beitrag zu Ziel 21 des GBF zu leisten.

Eine stärkere Sensibilisierung und Anerkennung der traditionellen Medizin wurde auch in Kenia erreicht, wo die übermäßige Ausbeutung der Heilpflanzenressourcen und die Biopiraterie oft weit verbreitet waren. Aufbauend auf einer Reihe von Partnerschaften bei der Katalogisierung traditioneller Heilpflanzen, beim Zugang zu sauberer und bezahlbarer erneuerbarer Energie und beim Aufbau von Partnerschaften mit Regierungsbehörden wird traditionelles Wissen nun zunehmend in nationale Initiativen integriert. So wurde beispielsweise das Wissen und die Verwendung von Heilkräutern durch das Volk der Ogiek in das Programm zur Dokumentation und Digitalisierung des traditionellen Wissens indigener Völker der kenianischen Nationalmuseen aufgenommen.  Die verstärkte Anerkennung von traditionellem Wissen trägt zur Erreichung von Ziel 21 des GBF bei, während der Zugang zu sauberer und bezahlbarer Energie zum SDG 7 beiträgt.

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