Paradigmenwechsel bei Infrastrukturinvestitionen in Ostafrika
In vielen afrikanischen Städten wurde der nicht-motorisierte Transport im Rahmen von Infrastrukturinvestitionen jahrzehntelang ignoriert – und das, obwohl Zufußgehen für den Großteil der Einwohner ein wichtiger Mobilitätsaspekt ist.. Mit der zunehmenden Nutzung von Privatfahrzeugen hat die „Fahrkultur“ die Bedürfnisse von Fußgängern und Radfahrern weitgehend außer Acht gelassen. Die rasche Urbanisierung und der Mangel an vorausschauender Planung hat ebenfalls zu vermehrten Verkehrsstaus geführt. Daher sind viele Fußgänger gezwungen, auf der Fahrbahn zu laufen, während Radfahrer genötigt sind, auf verstopften Schnellstraßen zu manövrieren.
Mittlerweile verstehen Städte allerdings besser, dass eine passende Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger unerlässlich ist, um lebenswerte Städte, nachhaltigen Transport und eine sicherere Fahrkultur mit geringerer Geschwindigkeit zu fördern.
Die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) unterstützt mit ihrem Projekt „Growing Smarter: Nachhaltige Mobilität in Ostafrika“ Ansätze für eine nachhaltige Mobilität. In dem folgenden Artikel geben wir einen Einblick in die Projektarbeit in Ruanda, Kenia und Äthiopien.
Ruanda: Kigalis Weg zu einer nachhaltigen Stadt
In Kigali, Ruanda, nutzen 52 Prozent der Einwohner nicht-motorisierte Transportmittel, 17 Prozent nutzen öffentliche Verkehrsmittel und 31 Prozent Privatfahrzeuge. Die Stadt Kigali hat erkannt, dass die Bereitstellung öffentlicher Räume der Schlüssel für die Umwandlung der Stadt in einen nachhaltigen und gerechten Ort für alle ist. Sie wertet daher den „Imbuga City Walk“ im zentralen Geschäftsviertel auf. Als Zugangspunkt zu wichtigen Einrichtungen wie dem Rathaus und dem ältesten Markt in Kigali wurde die Avenue 2015 in eine autofreie Zone umgewandelt.
Aufgrund der vorhandenen Grundstückseinzäunungen verzeichnet der Bereich allerdings wenig Fußverkehr. Es wird erwartet, dass die Aufwertung dieses Freiraums ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt und das Aktivitätsniveau entlang der Avenue 4 erhöht, die eine der wichtigsten Einfallstraßen in die Stadt ist. Die Verbesserungen sollen sowohl die sozialen als auch die wirtschaftlichen Aktivitäten betreffen. Im Rahmen des aktuellen Projekts wird die frühere Fahrbahn für die ausschließliche Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer umgebaut.
Im Rahmen dieses Projekts mit einem Budget von 4,5 Millionen US-Dollar haben bereits Arbeiten zur Verbesserung des Entwässerungssystems und zum Austausch des Asphaltbelags durch Pflastersteine und Kopfsteinpflaster begonnen. Der 550 Meter lange Korridor soll ein Erholungs- und Grünbereich mit Bänken, kostenlosem WLAN, Landschaftsgestaltung, einer City Lounge und einem Arkadenbereich, Kiosken, Straßenbeleuchtung, einem Kinderspielplatz und einer Ausstellungszone werden. Um die Zugänglichkeit zu verbessern, sind an strategischen Punkten der autofreien Zone Fahrradverleihstationen geplant. Dieses Bikeshare-System soll zunächst mit einer Flotte von 100 Fahrrädern starten. Für den motorisierten Verkehr werden alternative Routen eingerichtet.
Die Stadt Kigali arbeitet auch daran, sicherzustellen, dass die umliegenden Flächennutzungen eine lebendige Fußgängerumgebung entlang des Imbuga City Walk unterstützen. Der neue Kigali-Masterplan, der 2020 vorgestellt wurde, empfiehlt die Einführung aktiver Straßenfronten, einen Nutzungsmix und eine kompakte Entwicklung entlang der Schnellbus-Linien. Außerdem sollen im Rahmen der Fußgängerzone wieder Verkaufsstände eingeführt werden, um Besucher in den Bereich zu locken.
Kenia: Der Kisumu Sustainable Mobility Plan
Um eine gleichberechtigte Mobilität zu gewährleisten, hat die Stadt Kisumu kürzlich im Rahmen des IKI-Projekts „Growing Smarter – Nachhaltige Mobilität in Ostafrika“ mit technischer Unterstützung vom Institute for Transportation & Development Policy und UN-Habitat den ehrgeizigen Kisumu Sustainable Mobility Plan gestartet. Der Plan für nachhaltige Mobilität konzentriert sich auf Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr, von Fuß- und Fahrradwegen sowie bei der Parkraumbewirtschaftung. Der Zehn-Jahres-Fahrplan erkennt die Lücken in aktuellen und kommenden Infrastrukturprojekten an und bietet sichere, zugängliche, nachhaltige und gerechte Alternativen.
Aus der Haushaltsbefragung, die für den Mobilitätsplans durchgeführt wurde, geht hervor, dass über die Hälfte der Wege in Kisumu zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Verteilung der Verkehrsmittel gibt es signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Frauen legen deutlich mehr Wege zu Fuß und weniger mit Privatfahrzeugen wie Pkws und Motorrädern zurück. Das Fußgängeraufkommen übersteigt zu Stoßzeiten 2.000 Fußgänger pro Stunde auf den Hauptstraßen im Stadtzentrum, während das Fahrradaufkommen auf einigen Routen weit über 300 Fahrräder pro Stunde beträgt.
Die Stadt Kisumu hat bereits mit der Umsetzung von Best-Practice-Entwürfen begonnen, die die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer in Übereinstimmung mit dem Kisumu Sustainable Mobility Plan verbessern. Im Rahmen des von der Weltbank finanzierten Kenya Urban Support Program hat die Stadt das 241 Millionen KES (2.410.000 US-Dollar) teure Kisumu-Triangle-Projekt im Central Business District gestartet, das den Umbau von 1,5 Kilometern Gehwegen entlang der Oginga Odinga Street, der Ang'awa Avenue und des Jomo Kenyatta Highway beinhaltet. Das Projekt umfasste Verbesserungen der Oberflächenentwässerung, die Installation von Versorgungskanälen und Solar-Straßenlaternen sowie den Bau von öffentlichen Toiletten. Es wurden Fußgängerüberwege gebaut, um sichere, allgemein zugängliche Übergänge für Fußgänger zu schaffen.
Der Bau der 8 Kilometer langen, 659 Millionen KES (6.590.000 US-Dollar) teuren, zweiten Phase des Projekts ist derzeit entlang der Nyerere Road, dem Ondiek Highway, der Gumbi Road, der Mosque Road, der Achieng' Oneko Road, der Awuor Otieno Road, der Omolo Ogar Road, der Ang'awa Avenue und der Oginga Odinga Street im Gange. Dank der Verbesserung der Fußgängerfreundlichkeit entlang dieser Straßen wird die Stadt in der Lage sein, die Stadtbewohner zu ermutigen, sich für den nicht motorisierten Transport zu entscheiden.
Äthiopien: Verbesserung der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer in Addis Abeba
Geleitet von der Addis Ababa Non-Motorised Transport Strategy verbessert die Stadt die Infrastruktur für Fußgänger und Fahrradfahrer, um die zunehmende Nutzung von Privatfahrzeugen einzudämmen. Zufußgehen und öffentliche Verkehrsmittel sind die vorherrschenden Mobilitätsformen in Addis Abeba. 54 Prozent der Pendler gehen zu Fuß, 31 Prozent nutzen öffentliche Verkehrsmittel und 15 Prozent nutzen private Fahrzeuge. Trotz hoher Importsteuern steigt die Zahl der Autos in der Stadt rapide an: 2016 wurden 110.000 Autos importiert, was einem Anstieg von 50 Prozent gegenüber den Importen der beiden Vorjahre entspricht. Viele der importierten Autos sind Gebrauchtfahrzeuge, die nicht nur mehr Staus, sondern auch mehr Lärm und Luftverschmutzung führen.
Die Strategie für den nicht-motorisierten Transport sieht ein ganzheitliches Maßnahmenpaket zur Ausweitung dieses Verkehrsträgers vor. In den nächsten zehn Jahren plant die Stadt, ein stadtweites Geh- und Radwegenetz zu entwickeln, das nachhaltige Verkehrsmittel sicher, bequem und einfach zu nutzen macht. Es wird erwartet, dass größere Investitionen in den nicht-motorisierten Verkehr eine Reihe von Vorteilen mit sich bringen, insbesondere für Bewohner mit geringem Einkommen.
Merkato, der größte Freiluftmarkt in Afrika, der sich über 11,4 Hektar erstreckt und einen pulsierenden kommerziellen und verkehrstechnischen Knotenpunkt in Addis Abeba darstellt, ist einer dieser strategischen Bereiche. Die Stadt plant, die Geh- und Radwege auf dem Markt zu verbessern, angemessene Abstellplätze für Fahrräder bereitzustellen und die Einhaltung der Richtlinien zur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen sicherzustellen. Die Stadt hat auch mit der Verbesserung der Fußgänger- und Radwege entlang der 2,3 Kilometer langen Churchill Avenue im Stadtzentrum begonnen. Das Projekt, das sich derzeit im Bau befindet, wird von der Stadtverwaltung Addis Abeba finanziert. Es wurden auch Planungen eingeleitet, um den ein Kilometer langen Korridor vom Piazza-Bereich bis zur Ras Mekonen-Brücke fußgängerfreundlich zu gestalten.
Menschenorientierte Straßen sind der Schlüssel zu wirtschaftlichem Wachstum, urbaner Widerstandsfähigkeit und Inklusivität
Die Transformation der afrikanischen Städte erfordert ein Mobilitätssystem, das den gemeinsamen Nutzen für alle maximiert. Heute erreichen die Städte dieses Ziel, indem sie das Muster des städtischen Wachstums aktiv um den Verkehr herum gestalten, wobei der Schwerpunkt auf einem nachhaltigen Ansatz liegt. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur beginnen, Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Verkehrsmittel stärker in die Stadtplanung einzubeziehen. Es wird erwartet, dass menschenorientierte Straßen in größerem Maßstab das Wirtschaftswachstum, die Widerstandsfähigkeit der Städte und die Inklusivität beschleunigen werden. Diesen Ansatz wird die IKI auch weiterin unterstützen.
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