14.07.2015

Ökosysteme in den Gebirgsregionen Nepals im Klimawandel

Das IKI-Projekt "EbA-Flagship Programm: Ökosystembasierte Anpassung in Berg-Ökosystemen" fördert u.a. die Lebensgrundlage von Frauen durch den Anbau von Besengras im nepalesischen Himalaja

Frauengruppe auf Berg

Panchase, wörtlich übersetzt "Fünf Sitze", ist die Heimat von fünf majestätischen Berggipfeln in Nepal. Die Gebirgsregion ist ein wichtiges Ökosystem und verbindet das Tiefland mit dem Annapurna-Himalaja. Neben großer landschaftlicher Schönheit verfügt dieses Gebiet außerdem über bemerkenswerte biologische, kulturelle und religiöse Diversität.

Im globalen Vergleich gehören Bergvölker häufig zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen und stehen meist im gesellschaftlichen Abseits. Die allgemeinen Nachteile ländlicher Armut werden oft durch geschlechtsspezifische, ethnische und geografische Diskriminierung noch verschärft. Zudem sind Gemeinden in den Gebirgsregionen in der Regel mit zusätzlichen Herausforderungen für ihren Lebensunterhalt wie Höhenlage, Topografie und Klima konfrontiert.

Die Ökosysteme in den Gebirgen der Panchase-Region reagieren empfindlich auf die Auswirkungen des Klimawandels. Steigende Temperaturen und zunehmend instabile Niederschlagsmuster lassen Wasserquellen versiegen, die Vegetation verändert sich und es kommt zu häufigeren und schwereren Erdrutschen. Überweidetes, unproduktives Grasland und aufgegebene Flächen sind für diese Auswirkungen des Klimawandels besonders anfällig, sodass sie für den Anbau der von den Bauern bevorzugten Arten nicht mehr verwendet werden und leicht von invasiven Arten eingenommen werden können.

Diese Auswirkungen schwächen die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme in den Gebirgsregionen von Panchase und erhöhen die Anfälligkeit der lokalen Gemeinden, deren Lebensgrundlage und Wohlergehen von den Leistungen der Ökosysteme abhängen. Vor allem Frauen sind von den negativen Folgen des Klimawandels betroffen und müssen nun mehr Zeit aufwenden, um Wasser, Futter für Ihre Tiere und Brennholz zu sammeln.

Frau kniet vor Pflanzen

Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und Empowerment von Frauen

Um die Belastungen durch Klimaschwankungen und klimabedingte Risiken vor allem für die Frauen in der Panchase-Region zu verringern, unterstützt das Programm "Ökosystembasierte Anpassung in Bergregionen" (Mountain Ecosystem-based Adaptation, EbA) das Panchase Women's Network beim Ausbau des Amriso-Anbaus. Die Federführung liegt bei der Regierung von Nepal und durchgeführt wird es durch das Forstministerium und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP).

Der Anbau der heimischen Pflanzensorte Amriso (Thysanolaena maxima), die auch als Besengras bekannt ist, hat in den armen ländlichen Gemeinden der nepalesischen Panchase-Region eine lange Tradition. In der Vergangenheit wurde nur für die persönliche Nutzung im eigenen Haushalt angepflanzt. Amriso ist jedoch eine Pflanze mit zahlreichen positiven Eigenschaften und erheblichem, bisher ungenutztem kommerziellen Potenzial. Sie regeneriert sich selbst auf übernutzten Flächen sehr schnell, benötigt wenig Pflege und kann sich gegenüber invasiven Arten gut behaupten. Das kräftige, netzartige Wurzelsystem sorgt zudem für geringere Erosion des Ober- und Unterbodens, was vor allem im Hinblick auf häufigere Niederschläge von besonderer Bedeutung ist.

Außerdem kann der Blütenstand (Rispen) der Amriso-Pflanze zur Herstellung von Besen verwendet werden, die Blätter der Pflanze dienen als Tierfutter und ihre Stämme als Feuerholz. Das Besengras bietet eine stabile und vielversprechende Einnahmequelle zur Existenzsicherung, denn die Nachfrage auf dem lokalen Markt, in regionalen Zentren und selbst international (insbesondere aus Indien) ist groß. Diese Eigenschaften machen Amriso zu einer idealen Pflanze für die ökosystembasierte Anpassung, die nicht nur zur Hangstabilisierung und Rehabilitierung degradierter Flächen beiträgt, sondern auch eine nachhaltige Lebensgrundlage bietet.

Im Rahmen der Initiative konnte das Frauennetzwerk einen Viertelhektar Land pachten, das zu diesem Zeitpunkt ungenutztes Brachland und aufgrund der steilen Höhenlage stark von Bodenerosion gefährdet war. Dieses Land ist jetzt in einem besseren ökologischen Zustand und wird wirtschaftlich produktiv genutzt - eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem vorherigen Zustand.

Besen

Schaffung einer klimaresistenten Existenzgrundlage

Ein einziger Besengrasbusch kann genug Material für die Herstellung von sieben bis neun Besen pro Jahr liefern, woraus sich ein Einkommen von sechs US-Dollar pro Jahr und Pflanze ergibt. Die Mehrheit der beteiligten Frauen lebt von weniger als einem US-Dollar pro Tag, sodass die Ernte von bis zu 100 Pflanzen eine maßgebliche Einkommenssteigerung für sie bedeuten würde. Auf diese Weise kann die mehrjährige Pflanze Jahr für Jahr einen Beitrag zum Haushaltseinkommen leisten. Eine Studie ergab für den Anbau von Amriso eine Investionsrentabilität, die dem Dreifachen des Anlagebetrags entspricht. Amriso ist also ein ebenso rentables wie umweltfreundliches Produkt.

"Unsere Arbeit ist keine Sache von ein oder zwei Tagen. Sie ist längerfristig... Wir glauben, dass wir auch andere davon überzeugen können, dass die Anpflanzung von Amriso auf Kahlgebieten sehr gewinnbringend sein kann. Ich freue mich darauf, dass auf dem unfruchtbaren und aufgegebenen Land durch den Einsatz von Zeit und Mühe Amriso und andere Pflanzen wachsen werden. Wir hoffen, dass diese Flächen eines Tages ganz mit Amriso bedeckt sein werden."
Sabina AC, Präsidentin, Panchase Women's Network

Neben maßgeblicher Unterstützung für den Amriso-Anbau arbeitet das Mountain EbA-Programm außerdem eng mit lokalen Organisationen auf der Gemeindeebene und relevanten Verwaltungseinrichtungen auf Distriktebene zusammen, um Kapazitätsaufbau und Schulungsangebote für die beteiligten Frauen anbieten zu können.

Gebirge und Wolken

Agenten des Wandels - Pflanze für Pflanze

Die Panchase-Region hat eine stabile Population junger Männer verloren, die auf der Suche nach besseren Einkommensmöglichkeiten immer häufiger nach Pokhara und Katmandu und weiter nach Indien, Malaysia und den Nahen Osten abwandern.

Es gibt also nur noch wenige junge Männer in den Berggemeinden, sodass die Haushalte zumeist von der älteren Generation oder von Frauen und Kindern geführt werden. Etwa 30 Prozent der Fläche in der Panchase-Region wird derzeit nicht landwirtschaftlich genutzt, wodurch es zu einem problematischen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und zunehmender Ausbreitung invasiver Arten gekommen ist. Trotz dieser wachsenden Herausforderungen hat die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern für die Frauen in der Region auch neue Möglichkeiten eröffnet, die eine gesellschaftliche Veränderung bewirken.

"In Nepal, ob in der Stadt oder auf dem Land, sind die Frauen für den Haushalt verantwortlich - vor allem, wenn sie erst einmal verheiratet sind. Es kommen dann viele zusätzliche Aufgaben auf einen zu. Frauen dürfen das Haus normalerweise nicht verlassen, um arbeiten zu gehen. Aber seit es diese Initiative gibt, sind wir als Frauen so gestärkt worden, dass wir alle aus dem Haus und zur Arbeit gehen können."
Yam Kumari Dhungana, Secretary, Panchase Women's Network.

Da Amriso schnell wächst und das Pflanzen und die Pflege nur einen minimalen Zeit- und Arbeitsaufwand bedeuten, fügt es sich gut in die vollen Tagespläne und die zunehmende Arbeitsbelastung der Frauen ein.

Frauengruppe

Überraschenderweise hat der gewerbliche Amriso-Anbau auch dazu geführt, dass eine sehr viel stärkere soziale Bindung unter den Frauen im Netzwerk entstanden ist, die traditionelle Kastengrenzen überschreitet.

"In unserer Gemeinde gibt es viele verschiedene ethnische Gruppen, und in den nepalesischen Gemeinden besteht zwischen den Kasten immer noch große Distanz. Aber wo vorher Trennung und Diskriminierung herrschten, kommen jetzt Frauen aus allen Gesellschaftsschichten zusammen. Wir arbeiten alle zusammen und freuen uns darüber."
Yam Kumari Dhungana, Secretary, Panchase Women's Network

Die Amriso-Initiative mit 280 Mitgliedern und die Wahrung ihrer Interessen werden von den Frauen selbst geplant und durchgeführt. Neben den positiven Auswirkungen auf das Ökosystem und Wirtschaft werden durch ihre Arbeit die traditionellen Geschlechterrollen in Nepal hinterfragt.

Pflanze

Mountain EbA Programme

Das globale Programm "Ecosystem-based Adaptation (EbA) in Mountains" ist eine durch die internationale Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesumweltministeriums (BMUB) geförderte Partnerschaft zwischen UNDP, UNEP und IUCN. Durch das nachhaltige Management, die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen im Rahmen der übergeordneten EbA-Strategie zielt das Programm darauf ab, die Vulnerabilität der fragilen Ökosysteme in den Gebirgsregionen zu verringern und die Widerstandsfähigkeit ausgewählter fragiler montaner Ökosystemen und ihrer lokalen Gemeinden gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu stärken. Bei den geförderten EbA-Maßnahmen werden antizipierte Trends bei den Auswirkungen des Klimawandels sorgfältig berücksichtigt, um die Gemeinden wirkungsvoll dabei zu unterstützen, sich an ein sich beständig veränderndes Klima und vermehrte Unwägbarkeiten anzupassen. Die globale Partnerschaft bezieht nationale und regionale Verwaltungsbehörden, die Zivilgesellschaft und lokale Gemeinden in drei Ländern mit ein (Uganda, Nepal und Peru).

Insgesamt sind die Aktivitäten zum Amriso-Anbau Teil eines umfassenderer EbA-Maßnahmen in der Panchase-Region, die durch das Programm unterstützt und von Interventionen auf landschaftlicher Ebene flankiert werden. Auch das Referat für Wälder im Ministerium für Wälder und Bodenschutz unterstützt die Idee des Amriso-Anbaus in der Region, da degradierte Waldflächen zum Vorteil der lokalen Gemeinden genutzt werden und die Bodenqualität verbessert wird.

Während die Amriso-Produktion im gegenwärtigen Umfang noch ein relativ kleines Pilotvorhaben darstellt, hat sie doch ihr nennenswertes Potenzial als zukunftsfähige EbA-Maßnahme für die Frauen - und die Männer - in der Panchase-Region unter Beweis gestellt, vor allem wenn die Produktion noch ausgeweitet wird.

Das Frauennetzwerk ist sehr daran interessiert, die Besengrasproduktion auszuweiten und noch weitere degradierte oder ungenutzte Flächen zu bebauen. Am Projektstandort wird auch weiterhin Amriso angepflanzt werden, begleitet von zusätzlichen Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau wie zum Beispiel Trainings in Marketing und Kommerzialisierung.

Text: Tine Rossing, Nawang Chhenjum Sherpa und Andrea Egan
Aus: Exposure (englisch, extern)

Frau sitzt auf Mauer

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Kontakt

IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

iki-office@z-u-g.org

Videos zum Projekt

Burgruine

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Nationalpark

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