17.02.2017

Interview: Schutz der Biodiversität an den Küsten

Rocky Sanchez Tirona (Philippinen) und Taufiq Alimi (Indonesien) von rare
Rocky Sanchez Tirona (Philippinen) und Taufiq Alimi (Indonesien) von rare; Foto: Oliver Hölcke / IKI

Gespräch mit zwei Vize-Präsidenten von RARE Rocky Sanchez Tirona (Philippinen) und Taufiq Alimi (Indonesien) über Methoden des sozialen Marketings und nachhaltige Fischerei.

Das Projekt „Verbreitung innovativer und gemeindebasierter Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität an den Küsten Indonesiens, der Philippinen und im Pazifik“ wird von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesumweltministeriums finanziert. Es kombiniert Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für Stakeholder in lokalen Gemeinden mit spezifischen fachlichen Maßnahmen, die auf die Entwicklung und das Management von Schutzgebieten sowie die Festlegung von exklusiven Fischereirechten für die lokalen Gemeinden gerichtet sind. Rocky Sanchez Tirona (RT) ist eine der Vize-Präsidentinnen der Durchführungsorganisation rare und arbeitet auf den Philippinen und in Mikronesien. Ihr Kollege Taufiq Alimi (TA), ebenfalls Vize-Präsident von rare, ist in Indonesien tätig. Beide haben mit der IKI über ihre Erfahrungen mit dem Projekt gesprochen.

Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Länder?

Schulkinder mit Büchern unter freiem Himmel. Auf der rechten Seite Ganzkörper Maskottchen

RT: Die Philippinen sind ein Archipel mit einer Küstenlänge von 36.000 Kilometern, dabei ist es schwierig die unter Schutz stehende Fläche zu schätzen. Ein großer Teil der mehr als 100 Millionen Einwohner sind auf das Meer angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und sich zu ernähren. 1,3 Millionen der 1,6 Millionen Fischer betreiben dabei handwerkliche Fischerei. Dadurch stehen die natürlichen Ressourcen unter enormem Druck. Illegaler Fischfang und die Zerstörung von Lebensräumen sind keine Seltenheit. Gleichzeitig haben wir große Fortschritte beim Management von Schutzgebieten gemacht. Auf den Philippinen gibt es 1.600 lokal verwaltete Schutzgebiete, die meisten sind sehr klein. Zwar kann jede Kommune die Fischerei auf ihrem Gebiet nun eigenständig regeln, doch die zuständigen Akteure verfügen nicht über die Kapazitäten bzw. das wissenschaftliche Fachwissen, die für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Schutzgebiete notwendig sind. Außerdem ist es notwendig, das Verhalten der Fischer anzusprechen, die aufgrund der sinkenden Fischbestände und der zunehmenden Bevölkerung, dazu neigen könnten, zu überfischen oder nicht nachhaltige Praktiken durchzuführen.

TA: In Indonesien sieht es bezüglich der staatlichen Ziele und dem Ziel Meeresschutzgebiete zu messen etwas besser aus. Die Meeresschutzgebiete erstrecken sich hier über eine Fläche von 16,6 Millionen Hektar. Bis 2020 sollen landesweit insgesamt 20 Millionen Hektar unter Schutz stehen und effektiv bewirtschaftet werden. Bis 2030 schließlich wollen wir 10 Prozent der gesamten Küsten- und Meeresgebiete als Schutzgebiete ausgewiesen haben, so wie es in den Aichi-Zielen festgelegt ist. Das wären in unserem Fall knapp 30 Millionen Hektar. Indonesien hat 250 Millionen Einwohner. Davon sind 3,6 Millionen Fischer, von denen 90 Prozent Küstenfischerei betreiben und mit kleinen, flachen Booten aufs Meer hinausfahren. In Indonesien bildet die Fischerei die Lebensgrundlage für die ärmsten der Armen. Allerdings stellt die Überfischung der Gewässer ein Problem dar, denn die Menschen neigen dazu, mehr Fisch zu fangen, als in den amtlichen Fangquoten vorgesehen ist. Da entsprechende Daten fehlen, kennen die Fischer die Beschränkungen nicht und wissen weder, wo noch wie viel sie fischen dürfen. Die Rechtsvorschriften über die Einfuhr und Verwendung rechtswidriger Fischfangvorrichtungen und Boote wurden nicht konsequent genug durchgesetzt. Immerhin hat die aktuelle Regierung dafür gesorgt, dass Marine und Polizei verstärkt gegen die illegale Fischerei vorgehen, die dadurch zurückgegangen ist. Doch trotz der erfolgreichen Bekämpfung des illegalen Fischfangs hat sich das Verhalten der Fischer nicht grundsätzlich geändert.

Drei Männer auf einem kleinen Boot mit Fischernetzen und Reusen

In welche Richtung zielt Ihre Arbeit?

RT: Wir haben auf den Philippinen Kampagnen gestartet, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Dazu setzen wir auf Methoden des sozialen Marketings und wollen den Menschen vermitteln, welche Vorteile Meeresschutzgebiete bieten und weshalb es so wichtig ist, die Schutzmaßnahmen zu unterstützen und die entsprechenden Vorschriften zu beachten. Dies bedeutet konkret, dass bestimmte Fangvorrichtungen nicht eingesetzt und die zulässigen Fangquoten nicht überschritten werden dürfen.

TA: Zunächst waren die Fischer nicht begeistert von all den Regeln und Beschränkungen. Aber mit unserer Vorgehensweise versuchen wir neben anderen Methoden, die Herzen der Menschen und vor allem ihrer Kinder zu erreichen, um Druck auszuüben. So haben wir Maskottchen entworfen, die auch gut nach Disneyland passen würden, tatsächlich aber Fischarten und andere Tiere darstellen, die vom Aussterben bedroht sind. Wenn wir mit unseren Maskottchen in die Schulen gehen, fragen die Kinder, wer sie sind und warum sie in ihre Schule kommen. Dann erklären wir unser Anliegen und sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen verstehen, worum es uns geht. Sie fragen auf einmal zum Beispiel, was sie tun können, um den Fischen zu helfen. Wir setzen bei unserer Kampagne Werbeanzeigen, Poster, Rundfunkspots und Lieder ein. Nach einem Jahr konnten wir feststellen, dass 20 Prozent der Fischer ihr Verhalten angepasst hatten; 15 Gemeinden, in denen wir tätig sind, setzen bereits jetzt auf eine nachhaltige Fischerei. Sie haben 23 Fischer Arbeitsgruppen gegründet, um ihre nachhaltige Fischerei zu managen.
Schulkinder mit Büchern unter freiem Himmel. Auf der rechten Seite Ganzkörper Maskottchen
RT: Unsere zunächst gewählte Herangehensweise hat sich bewährt. Jetzt wollen wir noch einen Schritt weiter gehen. Wir denken darüber nach, wie die Fischer von den Schutzmaßnahmen profitieren können. Wir nennen das Konzept, das wir zurzeit umsetzen, „Fish Forever“. Es sieht vor, auch die Gebiete gezielt zu bewirtschaften, die direkt an die für den Fischfang gesperrten Gebiete angrenzen. Die angrenzenden Bereiche dürfen nur von bestimmten Fischern genutzt werden. Für ihre Fangrechte müssen sich die Fischer zur Einhaltung der Vorschriften und zu einer nachhaltigen Fischerei verpflichten. Die exklusiven Fischereirechte sind ein großer Anreiz. Wir haben etwa ein Jahr mit mehreren Gemeinden an diesem Konzept gearbeitet. Inzwischen haben fünf Kommunen das Konzept der kontrolliert bewirtschafteten Meeresgebiete rechtswirksam eingeführt. Bis zur Jahresmitte wollen wir Vereinbarungen über 20 derartige Seegebiete geschlossen haben.

TA: Durch Capacity Building für lokale Partner und Institutionen führen wir auch technische Lösungen ein. So realisieren wir Aus- und Fortbildungsmaßnahmen und vermitteln den Menschen die Kompetenzen, die sie benötigen, um ihre Heimat nicht verlassen zu müssen. Das ist eine Möglichkeit, um Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Auch unsere Kampagne setzt auf Werbeanzeigen, Poster, Radiospots und Lieder. Innerhalb eines Jahres haben 20 Prozent der Fischer ihr Verhalten geändert, und 15 Prozent der Projektgemeinden betreiben jetzt eine nachhaltige Fischerei.

Wenden Sie einen Mehrebenenansatz an?


TA: Tatsächlich ist es so, dass die Gemeinden sich ändern müssen, und wir geben Ihnen das dafür notwendige Knowhow an die Hand. Manchmal entspricht das nicht unbedingt den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen oder den Strategien der Distrikte oder der Zentralregierung. Es gibt einige Regeln und Vorschriften, die sind aber oft nicht klar genug, um die Gemeinden bei der Umsetzung von nachhaltiger Fischerei behilflich zu sein. Zur Durchsetzung der Beschränkungen brauchen wir die Unterstützung der Regierung. Zusammen mit den Gemeinden und verschiedenen staatlichen Institutionen bauen wir zurzeit ein Forum auf, in dem diese Fragen diskutiert werden können. Und schließlich hat das Ministerium für Meeresangelegenheiten und Fischerei auf die Aufforderung der Distrikte reagiert und Richtlinien für die Vergabe von Fischereirechten erlassen.

RT: Auf den Philippinen stellt sich die Situation etwas anders dar. Jede Kommune kann diese Richtlinien einführen und Meeresgebiete für eine kontrollierte Bewirtschaftung ausweisen. Jetzt greifen wir auf einen Mehrebenenansatz zurück und suchen nach Möglichkeiten, wie wir das Modell replizieren und auf breiter Basis einführen können. Die Provinzregierungen und Regionalagenturen in unseren Projektgebieten erkennen allmählich, wie erfolgreich unsere Strategie ist, und wollen sie nun auch andernorts umzusetzen. Wir arbeiten eng mit den öffentlichen Institutionen zusammen, um dies zu erreichen.  

eine Gruppe von Männern am Strand unter Palmen

Wo sehen Sie den Zusammenhang zwischen Ihrer Arbeit und dem Klimawandel?

RT: Wir wissen, dass der Schutz der Fischbestände und der marinen Ressourcen die Fähigkeit der Gemeinden zur Anpassung an den Klimawandel stärkt. So sind etliche Bauern gleichzeitig Teilzeitfischer. Nachdem der Taifun Haiyan 2013 den größten Teil ihrer Felder verwüstet hatte, mussten sie aufs Meer hinausfahren, denn sie konnten sich nur noch durch Fischerei ernähren. Dadurch ist ihnen bewusst geworden, wie wichtig der Schutz der marinen Ressourcen ist.

TA: Eine der größten Gefahren, die mit einem Taifun verbunden sind, ist der hohe Wellengang. Die Fischer haben inzwischen erkannt, dass sie sich dieser Gefahr nicht mehr aussetzen müssen, wenn die Fischbestände in den küstennahen Gewässern gesund sind.

Welche Rolle spielt Religion bei Ihrer Arbeit mit der lokalen Bevölkerung?

TA: In christlichen Gegenden haben wir das Beispiel Jesu angeführt und die Menschen davon zu überzeugen versucht, am Samstag auf den Fischfang zu verzichten. Einige Gemeinden haben sich daraufhin bereiterklärt, die Fischerei über das Wochenende einzustellen, so dass die Fischbestände eine zweitätige Ruhepause haben. In einigen Dörfern, mit denen wir zusammen arbeiten hat sich die Fangleistung nach nur zwei Jahren von nur 1,6 kg pro Stunde auf 4,9 kg pro Stunde erhöht. 
Dabei haben wir mit Religionsführern zusammengearbeitet und gemeinsam mit ihnen eine sinnvolle Lösung für einen guten Zweck gefunden. Wir können auf zahlreiche Zeremonien und religiöse Lehren zurückgreifen, um unser Programm voranzubringen.

RT: Viele der an den Kampagnen beteiligten RARE-Mitglieder greifen auf bei ihrer Arbeit auf die Religion zurück, um ihre Ideen und Konzepte zu vermitteln. Einer unserer Projektstandorte ist beispielsweise Ipil, die Hauptstadt der Provinz Zamboanga Sibugay. Ein großer Teil der Bevölkerung gehört indigenen Ethnien an. Außerdem leben hier Katholiken und Muslime, und in der Stadt hört man immer mal wieder von religiösen Spannungen. Wie sich herausgestellt hat, fördert unser Programm das friedliche Miteinander in der Provinzhauptstadt. Die Vertreter aller drei Religionen teilen den Wunsch, die Meere zu schützen und haben sich auf verschiedene Schutzmaßnahmen geeinigt, die sie gemeinsam umsetzen. Dazu gehören beispielsweise das Anpflanzen von Mangroven oder die Säuberung der Strände und Küsten von Abfällen. Auch die von den Standortpartnern entwickelten Plakate und Anzeigetafeln zeigten dieses Einheitskonzept.

Fischer in seinem kleinen Boot auf offener See

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Kontakt

IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

iki-office@z-u-g.org

Videos zum Projekt

Foto: DW

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