Die Modernisierung des Bussektors als Wegbereiter für die Elektrifizierung
In vielen afrikanischen Ländern hat der Hype rund um die Elektrifizierung die Dringlichkeit von Reformen im Stadtverkehr überschattet.
In ihrer Begeisterung für die Elektrifizierung übersehen Fachleute allzu oft die grundlegenden Schwächen in unseren städtischen Verkehrssystemen. Das gilt vor allem in Afrika, wo die staatlichen Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr minimal sind und die Politik der Landnutzung eine Zersiedelung fördert.
Ein ganzheitlicherer Lösungsansatz, der sich auf eine auf Fußgängerinnen und Fußgänger ausgelegte Nachbarschaftsplanung und qualitativ hochwertige, öffentliche Verkehrssysteme konzentriert, ist der entscheidende Schlüssel - nicht nur, um Emissionen zu reduzieren, sondern auch, um die Lebensqualität in unseren Städten insgesamt zu verbessern.
Bestehende Geschäftsmodelle sind unbequem und teuer
In vielen sich rasch entwickelnden Städten stellen unregulierte Paratransit-Dienste das wichtigste Transportmittel dar. Das bestehende Geschäftsmodell bedeutet für die Fahrerinnen und Fahrer: überlange Arbeitszeiten, geringe und unstabile Löhnen und fehlende Sozialleistungen.
In vielen Fällen führt das schlechte Betriebsumfeld zu schwerwiegenden Risiken für die Verkehrssicherheit: Die Fahrerinnen und Fahrer fahren viel zu schnell, um die Einkünfte aus den Fahrpreisen zu maximieren und verursachen so Unfälle. Die Streckenplanung wird von kommerziellen Zwängen geleitet, und so beginnen die meisten Strecken in Stadtzentren. In der Branche herrscht zudem ein starker Wettbewerb um Gebiete, wobei auf den Hauptstrecken ein Überangebot und anderenorts ein Unterangebot besteht.
Da es auf den Straßen an eigenen Spuren für den öffentlichen Nahverkehr mangelt, stecken Busse und Minibusse in Staus fest. Auch das macht die Fahrten zeitraubend und teuer.
Darüber hinaus führt die Abgrenzung in der Landnutzung, bei der in den meisten Städten ein einziger Gewerbekern von verstreut angeordneten Wohngebieten umgeben ist, zu einer starken Überlastung der Hauptverkehrsadern ins Stadtzentrum.
Ein ausschließlicher Fokus auf Elektrifizierung könnte zu unbeabsichtigten städtischen Herausforderungen führen
Die Elektrifizierung der vorhandenen Paratransit-Flotten ohne eine Modernisierung der gesamten Branche verbessert weder die Effizienz noch die Qualität der Dienste. Zusätzlich wird die Nutzung von Privatfahrzeugen aufgrund der Steuerbefreiung oder Steuerentlastungen auf die Einfuhr von Elektrofahrzeugen noch attraktiver: Das lässt die Verkehrsbelastung weiter ansteigen und schafft Anreize, breitere Straßen und mehr Parkplätze für Autos zu bauen, statt in erschwingliche öffentliche Verkehrssystem und Wohnungen zu investieren.
In vielen afrikanischen Städten haben die Staus in den Städten und die schlechte Qualität des öffentlichen Nahverkehrs zu einem exponentiellen Wachstum des Zweiradverkehrs geführt. Diese Fahrzeuge eignen sich ausgezeichnet für den Zugang zur „ersten und letzten Meile“, das heißt: mit ihnen lässt sich die Distanz zwischen dem eigenen Standort bis zum ersten Zugangspunkt zum öffentlichen Nahverkehr gut überbrücken. Allerdings erleben viele Städte, dass Motorräder die Busse als Hauptverkehrsmittel für den Pendelverkehr auf den Hauptkorridoren verdrängen. Derzeit führt die fehlende Regulierung des Zweiradverkehrs verstärkt zu Verkehrsunfällen und zu einer hohen Zahl an Todesopfern auf dem gesamten afrikanischen Kontinent.
Der Ruf nach Ladestationen für elektrische Zweiräder wird zunehmend lauter, und lenkt die Regierungen davon ab, wichtige Infrastrukturen für den öffentlichen Nahverkehr umzusetzen, wie z. B. Busdepots, Terminals und Bushaltestellen, die in den meisten Städten überhaupt nicht existieren.
Ein ganzheitlicher und inklusiver Lösungsansatz ist notwendig
Um das Leben in unseren Städten zu verbessern, ist ein ganzheitlicher Lösungsansatz erforderlich, der sich darauf konzentriert, den Verkehr in den Städten zu begrenzen – durch die Planung kompakter Städte, eine mobilitätsorientierte Entwicklung und Investitionen in Fuß- und Fahrradwege. Außerdem ist eine Verlagerung von Privatfahrzeugen auf effizientere öffentliche Verkehrsmittel dringend geboten. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Städte ausreichend in eine qualitativ hochwertige städtische Infrastruktur und ebensolche Dienste investieren.
Eine Reformierung des öffentlichen Nahverkehrs ist wichtig, um eine stärkere Regulierung seitens der Regierung und höhere Investitionen in diesem Sektor zu ermöglichen. Die Regierungen sollten die Streckenführung im öffentlichen Nahverkehr anhand der Nachfragemuster planen. Einzelne Busbetreiber sollten sich zu Unternehmen zusammenschließen, die sich dann um das Angebot von Diensten auf bestimmten Strecken bewerben können. Der von der jeweiligen Regierung vergebene Dienstleistungsvertrag regelt die Beziehung zum Busunternehmen. Dies ermöglicht es den Regierungen, die Qualität und den Preis der Dienste festzulegen.
Unabhängiger Dienstleister für das Fahrgeldmanagement
Das Fahrgeldmanagement sollte in den Händen eines unabhängigen Dienstleisters liegen, der der Regierung gegenüber rechenschaftspflichtig ist, und elektronische Zahlungssysteme mithilfe von Smartcards, Smartphones oder Bankkarten anbietet. Die Bezahlung der Betreiber sollte auf einer Gebühr pro gefahrenem Kilometer basieren. Damit lassen sich Anreize für die Busunternehmen schaffen, sichere, qualitativ hochwertige Dienste anzubieten und die vorgegebenen Fahrpläne einzuhalten, anstatt zu warten, bis die Fahrzeuge voll sind. Darüber hinaus können die Betreiber mithilfe von finanziellen Anreizen durch die Regierungen ihre Flotte gemäß den Dienstleistungsverträgen modernisieren und elektrifizieren. Die Regierungen sollten in Busdepots investieren, die eine ordnungsgemäße Wartung ermöglichen und Ladestationen aufnehmen können.
Aufbau von Schnellbus-Systemen
In stark nachgefragten Verkehrskorridoren sollten die Regierungen in Schnellbuss-Systeme (Bus-Rapid-Transit, BRT) investieren, die für die Nutzerinnen und Nutzer von Privatfahrzeugen, die im Stau stehen, eine sehr attraktive Alternative darstellen können.
Um die städtischen Emissionen weiter zu reduzieren, können die BRT-Flotten voll elektrifiziert sein. Damit die BRT-Systeme ihr Potenzial ausschöpfen, müssen sie über bestimmte Merkmale verfügen, wie z. B. mittig ausgerichtete Busspuren, ebenerdiger Einstieg an zentral angeordneten Haltestellen, Überholspuren und die Möglichkeit, die Tickets außerhalb der Busse zu erwerben. Darüber hinaus sollten mehrere Betreiber an den BRT-Diensten beteiligt sein, basierend auf wettbewerbsfähigen Ausschreibungen, um effiziente und qualitativ hochwertige Dienste zu gewährleisten.
Elektrifizierung als Teil eines Gesamtkonzepts
Eine Stadt, die auf den Individualverkehr setzt – ob elektrifiziert oder nicht elektrifiziert – wird sich mit Herausforderungen wie Staus und einem steigenden Bedarf an Parkflächen befassen müssen. Der einzige Weg, die Nutzung von Privatfahrzeugen weniger attraktiv zu machen, besteht darin, qualitativ hochwertige öffentliche Verkehrssysteme anzubieten, die Staus und überlastete Strecken vermeiden können.
Mit der Modernisierung des Sektors und der Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur wird die Elektrifizierung einfacher und effizienter. Darüber hinaus müssen bei der Gestaltung von Straßen alle Nutzerinnen und Nutzer, einschließlich Fußgänger und Radfahrende, berücksichtigt werden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass diese Null-Emissions-Verkehrsträger sicher und komfortabel für alle sind. Und schließlich können Elektrofahrräder, -motorräder und -dreiräder den Zugang zur ersten und letzten Meile bieten und damit ein nachhaltigeres städtisches Ökosystem schaffen.
Der Link wurde in die Zwischenablage kopiert
Kontakt
IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71
10963 Berlin