Die Kakao-Agrowälder von Belen de los Andaquies hautnah
Eliza J. Villarino ist Mitarbeiterin im IKI-Projekt „Umsetzung nachhaltiger Landnutzungssysteme in Kolumbien“ (SLUS). Hier berichtet sie über ihre Reise in den Amazonas Regenwald, bei der sie eine Kakaofarm in einem Agroforstsystem besucht hat.
Autsch! Ich weiß nicht mehr, wie oft ich zusammengezuckt bin, während ich und meine Kolleginnen und Kollegen vom SLUS-Projektteam an einem Tag Anfang September mit dem Auto über die steinigen, unbefestigten Straßen nach Belen de los Andaquies, einer Stadt im Departement Caquetá, fuhren. Es regnete in Strömen – für ein Department, das mitten im Amazonas Regenwald liegt, eigentlich nicht anders zu erwarten.
Caquetá war von Grün umgeben. Aber nicht alles davon waren Wälder. Bevor wir in Belen de los Andaquies ankamen, sah ich Hektar um Hektar Weideland mit Viehzucht. Ich wusste, dass die Waldgebiete in Caquetá von Rinderfarmen verdrängt werden, daher überraschte mich der Anblick nicht.
Aber was uns in Belen de los Andaquies erwartete, erfüllt mich mit Bewunderung. An den Berghängen im Amazonas Regenwald erhoben sich Kakaobäume, vermischt mit den Bäumen des Waldes. Und ich dachte mir, „so sieht also eine Kakaofarm in einem Agroforstsystem aus“. Auf der Farm liefen Hühner umher, und in den vom Regenwasser durchnässten Ästen hingen rote, runzlige Schoten mit Kakaobohnen. Das bedeutete laut Victor, unserem Koordinator in Caquetá, dass die Kakaofrucht noch reifen muss.
Auf Victors Aufforderung hin aßen wir das cremig-weiße Fruchtfleisch, das die Bohne umhüllt. Ich kann den Geschmack nur als mild und süß beschreiben, weil er sich mit nichts vergleichen lässt, was ich zuvor gekostet hatte.
In einer Ecke der Farm standen dicht nebeneinander mehrere Bauten, zumeist aus Holz, die meine Neugier weckten. Auf den Schildern an der Seite der Bauten stand in spanischer Sprache, dass sie zum Trocknen und Fermentieren der Bohnen – Marquesina und Cajon Fermentador – sowie zur Herstellung von organischem Dünger dienen, der mit dem Label Biofabrica versehen war.
Beides – die Marquesina und der Cajon Fermentador – deuten für mich darauf hin, dass die Farm die Bohnen gemäß den vorgeschriebenen Qualitätsstandards verarbeitet. Das sind gute Nachrichten, denn es bedeutet, dass die Farm ihr Einkommen aus dem Verkauf der Bohnen maximieren kann.
Ich sage das als jemand, der sich intensiv mit der Wertschöpfungskette von Kakao in Kolumbien beschäftigt hat. Einige Bäuerinnen und Bauern hier würden die Bohnen unterhalb dieser Standards oder „en baba“ verkaufen, zum Teil, weil sie nicht wissen, wie man es anders machen kann. Das heißt allerdings, dass die Bohnen niedrigere Preise erzielen würden, als der Markt hergibt. Ein Vertreter eines Unternehmens sagte mir vor Monaten in einem Interview, dass seine Firma „ermäßigte“ Preise für Bohnen anbietet, die nicht den Qualitätsstandards entsprechen.
Der Geruch, der aus der Biofabrica strömte, verriet mir, dass es dort Kompost gab. Laut Victor strebten die Bäuerinnen und Bauern, mit denen wir in dem Projekt zusammenarbeiteten, eine Biozertifizierung an. Angeregt wurde das durch eine kommerzielle Partnerschaft mit einem europäischen Chocolatier.
Was auf den Besuch der Kakaofarm in Agroforstwirtschaft folgte, war für mich ein weiterer Höhepunkt dieses Ausflugs. Damit meine ich unsere Gespräche mit den Bäuerinnen und Bauern.
Ich erinnere mich immer noch an die frische, feuchte Luft – zweifellos von den umgebenden Wäldern –, die mich umhüllte, während ich da saß und mit den Bäuerinnen und Bauern sprach. Ich erinnere mich auch an ihr Gefühl von Stolz, mit dem sie über wilde, farbenfrohe Tiere sprachen, die sie auf ihren Farmen beobachten. Daher auch ihre Überzeugung, Wälder erhalten zu wollen. Eines dieser Tiere ist der Krähenstirnvogel, ein schwarzer Vogel mit einem dreieckigen Schnabel, gelben Schwanzfedern und blauen Augen. Auch Truthähne, Affen und Gürteltiere würden sich auf den Kakaofarmen ein Stelldichein geben.
In Verbindung mit den Bäuerinnen und Bauern in Belen de los Andaquies, wurde mir klar, dass es nicht Geld ist, was den größten Anreiz für eine Übernahme nachhaltiger Praktiken, das heißt, eine entwaldungsfreie Kakaoerzeugung in Agroforstwirtschaft und eine organische Fermentierung, bietet. Was sie am meisten brauchten, war technische Unterstützung und das Wissen, wie sie ihre Farmen so bewirtschaften können, dass sie ihnen Gewinn bringen und den Wald nicht schädigen.
Als ich sie fragte, von wem sie technische Unterstützung erhielten, waren sie sich einig darin, dass sie vor dem Start des SLUS-Projekts der IKI, das die Erprobung nachhaltiger Landnutzungssysteme zum Ziel hat, nur wenig oder gar keine Unterstützung erhalten hatten. Als Teil des Projektteams erfüllte mich diese Aussage mit Stolz.
Es gibt sehr wohl Regelungen, die es Kakaobäuerinnen und Kakaobauern in Kolumbien ermöglichen, technische Unterstützung zu erhalten. Es ist jedoch nicht so einfach, darauf zuzugreifen. In Kolumbien muss ein Teil der Erlöse aus dem Verkauf von Kakao in die technische Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern fließen. Dabei gibt es jedoch einen Vorbehalt: Die Investitionen kommen dem Standort zugute, an dem der Kakao verkauft wurde. Es ist nicht immer der Fall, dass der Ort, an dem der Verkauf verzeichnet wurde, dem Department entspricht, in dem der Kakao produziert wird. Das liegt daran, dass einige Bäuerinnen und Bauern die Bohnen an Zwischenhändler verkaufen, die die Bohnen dann an Handelszentren oder Unternehmen in einem anderen Department weiterverkaufen. In den meisten Fällen ist das Santander, das Department, in dem der größte Teil des Kakaos in Kolumbien produziert wird. Und diese letzte Transaktion ist die, die dann registriert wird.
Tatsächlich stellt die Zusammenarbeit mit Regierungsvertreterinnen und -vertretern sowie Fedecacao, dem nationalen Verband der Kakaoproduzenten, der für die technische Unterstützung seiner Mitglieder verantwortlich ist, einen wesentlichen Teil unserer Projektarbeit dar. Wir wollen Wege finden, um zu gewährleisten, dass die Bäuerinnen und Bauern in Caquetá Zugang zu Schulungen und Wissen haben, mit denen sie ihre Einkünfte optimieren und Praktiken anwenden können, die den Wäldern nicht schaden. Im Gegenteil, diese Praktiken sollen dabei helfen, die Wälder wiederherzustellen, so wie es von den Interessengruppen im kolumbianischen Kakaosektor angestrebt wird.
Als wir das Haus der letzten Bauernfamilie, mit der wir gesprochen hatten, verließen, spürten wir endlich den Sonnenschein. Am Ende dieses Tages hatte ich den Drang, zurückzukehren – wegen der Schönheit, die ich gesehen hatte, und der Ruhe, die mich in dieser Umgebung überkam.
Die Natur ist wirklich wunderschön. Für einige Menschen verkörpert die Landwirtschaft den hässlichen Gegenpart der natürlichen Umwelt. Das muss allerdings nicht so sein. Bäuerinnen und Bauern könnten auch Hüterinnen und Hüter der Natur sein, wenn wir ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen.
Genau das ist es, was wir und der Rest des SLUS-Projektteams anstreben.
Der Link wurde in die Zwischenablage kopiert
Kontakt
IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71
10963 Berlin
Zur Autorin
MA Eliza J. Villarino ist Sozialwissenschaftlerin bei Mitigate+, Expertin für entwaldungsfreie Wertschöpfungsketten im Rahmen des Forschungsthemas „Emissionsarmes Ernährungssystem“ der Internationalen Allianz für Biodiversität und CIA (Internationales Zentrum für tropische Landwirtschaft) sowie Mitarbeiterin im IKI-Projekt "Nachhaltige Landnutzung in Kolumbien". Als Doktorandin an der Universität Kopenhagen untersucht sie die Rolle von Institutionen bei der Gewährleistung der ökologischen Nachhaltigkeit der Agrar- und Nahrungsmittelwertschöpfungsketten in Gebieten, die von Konflikten betroffenen sind. Eliza ist auf den Gebieten Politik, Journalismus und Wissenschaftskommunikation zu Hause.