09.01.2015

Cool Bleiben in Indien

Straßengasse mit zahlreichen Klimaanlagen an Hausfassaden
Kühlung für alle. Foto: GIZ Indien

IKI Projekt fördert die Produktion nachhaltiger Klimaanlagen in Asien

Es ist Sommer in Indien und die Temperaturen in Mumbai steigen ins Unerträgliche. In der Stadt ist es besonders heiß, es gibt kaum schattenspendende Bäume und somit auch keinen natürlichen Kühlungseffekt. In dicht bebauten Gebieten gibt es kaum Luftaustausch, das Thermostat steigt auf über 35 Grad und die Menschen stöhnen unter der Wärmebelastung.

So auch Familie Chaudhari. Beim Mittagessen erzählt Frau Chaudhari, dass sie sich für die Anschaffung einer Klimaanlage entschlossen hat. Sie räumt ein, dass eine Klimaanlage zwar zusätzliche Ausgaben für Strom mit sich bringen wird, der Deckenventilator aber nicht mehr ausreiche, um ein angenehmes Raumklima zu schaffen. Die Tochter ergänzt, dass sie sich nur schwer auf Ihre Hausaufgaben konzentrieren könne, die Hitze im Haus sei unerträglich. Familie Chaudhari gehört zur Mittelschicht und somit zu dem Teil der Bevölkerung, für den der Besitz einer Klimaanlage immer selbstverständlicher wird. Pro Jahr werden in Indien inzwischen rund 4 Millionen Geräte verkauft.

In anderen aufstrebenden Schwellenländern Asiens ist die Situation ähnlich. Ob in Jakarta, Bangkok, Mumbai oder Manila: Die Verbreitung von Klimaanlagen nimmt stetig zu und selbst bei brütender Hitze herrschen in Bürogebäuden, Shopping Malls und Haushalten angenehme Temperaturen um die 20 Grad Celsius. Die Klimatisierung von Gebäuden ist nicht nur Zeichen wachsenden Wohlstandes, sie fördert zudem die Entwicklung einer modernen Wirtschaft in diesen Ländern. Der boomende Dienstleistungssektor in Städten wie Hong Kong oder Singapur wurde erst durch den Einzug von Klimaanlagen möglich, denn eine Raumtemperatur von über 25 Grad Celsius beeinflusst die Produktivität und verursacht Ermüdungserscheinungen. Eine Umfrage in Singapur ergab, dass eine Temperatur von 22 Grad Celsius als neutral - also weder warm noch kalt - empfunden wird, die Außentemperaturen liegen dort jedoch zwischen 22 und 35 Grad Celsius.

Klimaanlagen können bei tropischen Temperaturen das Wohlbefinden erhöhen, belasten aber zugleich die Energienetze, insbesondere in Ländern mit einer instabilen Stromversorgung. Kühlsysteme sind sehr energieintensiv und werden in Entwicklungsländern oftmals mit fossilen Brennstoffen angetrieben. Das bedeutet, dass Kühlung oftmals zum Ausstoß von Treibhausgasemissionen beiträgt.

Das Klima wird nicht nur durch diese indirekten Emissionen belastet. Kältemittel, die als direkte Emissionen aus den Geräten entweichen, sind zudem hochgradig klimaschädigend, denn sie gehören zur Gruppe der sogenannten halogenierten oder fluorierten Kohlenwasserstoffe.

Synthetische Kältemittel: Eine Gefahr für Klima und Ozonschicht

Menschengruppe mit Werkzeugen am TischHalogenierte und fluorierte Gase werden synthetisch hergestellt und hauptsächlich als Kältemittel in Geräten wie Kühlschränken und Klimaanlagen verwendet. Da einige dieser Gase hochgradig ozonschädlich sind, einigte sich die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 1987 im Rahmen des Montrealer Protokolls auf ein weltweites Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) sowie auf einen schrittweisen Ausstieg aus den teilhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (H-FCKW).

Das Montrealer Protokoll ist ein effektives Umweltabkommen, erste Erfolge des darin festgeschriebenen Ozonschutzes sind bereits messbar. Die Industrie hat FCKW aus der Produktion seit damals verbannt und verzichtet zunehmend auch auf den Einsatz von H-FCKW. Als Alternative kommt meist teilhalogenierter Fluorkohlenwasserstoff (H-FKW) als Kältemittel zum Einsatz. Dieser ist ozonneutral und ist daher nicht durch das Montrealer Protokoll reguliert.

Allerdings sind H-FKWs hochgradig klimaschädlich. Zum Beispiel ist die Wirkung als Treibhausgas des Kältemittels R404a etwa 3.900-mal so hoch wie die von Kohlendioxid. Diese verheerende Wirkung wird dadurch verstärkt, dass der Bedarf an Kühlung vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern rasant wächst und dort die Verwendung von synthetischen Kältemitteln besonders verbreitet ist. Durch den Wirtschaftaufschwung in China, Indien, Indonesien und Thailand ist die Mittelschicht inzwischen enorm gewachsen. Zur Mittelschicht zu gehören, bedeutet, sich leisten zu können, in angenehmen Temperaturen zu leben. Klimaanlagen gehören somit zu den ersten Anschaffungen von Haushalten mit verbessertem Einkommen.

Ein anderer Grund für den zunehmenden Gebrauch von Klimaanlagen ist der Anstieg der Durchschnittstemperaturen und häufige Hitzeperioden durch den beginnenden Klimawandel. Hierbei steigt insbesondere der Absatz für sogenannte Split-Geräte mit Innen- und Außenmodul, welche sich bequem zur nachträglichen Aufrüstung von Gebäuden eignen. Hersteller reagieren auf diese Entwicklung und haben ihre Vertriebsstrukturen in den betroffenen Ländern ausgebaut.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass immer mehr klimaschädliche Gase in die Atmosphäre gelangen. Bis zum Jahr 2030 könnten diese bis zu 13,1 % der globalen Erwärmung verursachen. Eine alarmierende Prognose. Auch in Indien hat der Verkauf von Kühlanlagen ein enormes Wachstumspotential. Bislang entfallen rund 40 Prozent der betriebenen Geräte auf die Städte, landesweit beträgt der Marktanteil aber bislang nur drei bis vier Prozent. In urbanen Regionen werden Immer mehr Geräte verkauft, die Wachstumsrate der Branche liegt bei 13,5 Prozent.

Klimaanlagen und andere Technologien aus dem Kältesektor, beispielsweise Kühlschränke mit synthetischen Kältemitteln, tragen somit im erheblichen Ausmaß zu den Treibhausgasemissionen des Landes bei. Gleichzeitig birgt diese Industrie ein großes Minderungspotential: Natürliche Kältemittel wie zum Beispiel Ammoniak, Kohlenwasserstoffe und Kohlenstoffdioxid sind klimaneutrale Alternativen zu H-FKW. Ihr Einsatz in Kühlgeräten führt außerdem zu einer verbesserten Energieeffizienz. Obwohl technisch ausgereift, finden diese außerhalb Europas noch kaum Anwendung. Möglichkeiten, durch den Einsatz natürlicher Kältemittel im Kälte-Sektor Energie zu sparen und Treibhausgase zu mindern, werden bislang international nur unzureichend wahrgenommen.

IKI fördert die Produktion nachhaltiger Klimaanlagen in Indien

Zahlreiche unzähligen Klimaanlagen an HausfassadenDer indische Hersteller "Godrej & Boyce" entwickelte 2012 eine Baureihe Klimaanlagen, die mit dem natürlichen Kältemittel Propan betrieben werden. Bei der Investition für die Produktionsanlage wurde der Familienbetrieb von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesumweltministeriums gefördert, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) leitete als Durchführungsorganisation das Projekt vor Ort.

Propan gehört zu den natürlichen Kältemitteln, Entweichungen aus den Geräten tragen somit nicht zur Klimaerwärmung bei. Allerdings ist Propangas entflammbar, so dass das Einhalten von Sicherheitsstandards eine besondere Herausforderung darstellt. Dilip Rajadhyaksha, Ingenieur bei Godrej, erklärt: "Wir verwenden eine sehr geringe Füllmenge, lediglich 350-370 Gramm. Es besteht keine Brandgefahr, selbst wenn die gesamte Füllmenge austreten sollte!".

Die Godrej Geräte setzten völlig neue Maßstäbe für Klimaschutz und Energieeffizienz in Indien. Die Einsparungen schädlicher Treibhausgase während Produktion, Betrieb und Entsorgung einer Klimaanlage entspricht dem durchschnittlichen, jährlichen CO 2 Ausstoß eines PKWs in Deutschland. Der Energieverbrauch der Godrei Geräte ist im Schnitt 23 Prozent geringer als der von Vergleichsgeräten. Hiervon profitieren Kunden direkt und die geringen Betriebskosten sind oft ausschlaggebende Kaufargumente, wie Liaba Deboo aus der Marketingabteilung bei Godrej berichtet.

Auch die Chaudharis entscheiden sich beim Besuch eines kleinen Elektromarkts für das Gerät von Godrej. Zwar ist der Preis um etwa zehn Prozent höher als für herkömmliche Geräte, aber auf Grund der geringeren Energiekosten lohnt sich der höhere Anschaffungspreis allemal. Nachdem der Kauf abgeschlossen ist, installieren zwei Techniker das Gerät im Haus der Familie in Mumbai. In einer Schulung beim Hersteller haben sie gelernt, wie man mit flammbaren Kältemitteln umgeht und bei der Installation des Innen- und Außenmoduls verhindert, dass Kühlmittel austritt.

In den ersten beiden Jahren nach Markteinführung setzte Godrej bereits über 100.000 Geräte ab. Da jedes dieser Geräte Klimaemissionen einspart, leistet das Projekt der Internationalen Klimainitiative einen enormen Beitrag zum Klimaschutz. Außerdem hat der wirtschaftliche Erfolg Signalwirkungen bei anderen Herstellern und gibt Anstöße für den Ausbau nachhaltiger Technologien im indischen Kälte-Sektor.

Umstellungen bei der Produktion von Kühlanlagen werden auch in anderen Ländern Asiens durch Projekte der Internationalen Klimaschutzinitiative gefördert. In einem ähnlichen Vorhaben wurde im Jahr 2011 beispielsweise bei dem chinesischen Hersteller Gree eine Produktion für Klimaanlagen mit natürlichen Kältemitteln aufgebaut. China ist weltweit größter Produzent von Klimaanlagen mit Splitbauweise, rund 90 Prozent aller Geräte dieses Typs werden hier produziert. Dies bedeutet, dass chinesische Entwicklungen in diesem Bereich sich weltweit auswirken.

Verschiedene südostasiatische Länder erwägen zurzeit, mit Unterstützung der Internationalen Klimaschutzinitiative und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit nationale Minderungspläne (NAMA - National Appropiate Mitigation Action) im Bereich des Kühlsektors zu entwickeln. NAMAs sind Klimaschutzmaßnahmen, die Schwellenländer mit internationaler Unterstützung in ihre nationalen Entwicklungspläne einbetten. So könnten Schwellenländer ihren Kälte-Sektor modernisieren und durch den Einsatz umweltfreundlicher Energie einerseits wettbewerbsfähiger werden und zum Klimaschutz beitragen, und andererseits enorme Einsparpotentiale im Energieverbrauch umsetzen. Auf diese Weise entstehen Synergien zwischen dem internationalen Klimaschutz und der nachhaltigen Entwicklung in den Schwellenländern Asiens.

Die Internationale Klimaschutzinitiative fördert ebenfalls in einem globalen Projekt zu Kälte-NAMAs, die Entwicklung von Instrumenten und Methoden zur Erstellung eines NAMAs in den Kälte-Sektoren. Im Rahmen des Projekts werden NAMAs für ausgewählte Sektoren in enger Kooperation mit den Partnerländern und verschiedenen Stakeholdern entwickelt.

Die Internationale Klimaschutzinitiative fördert darüber hinaus die Green Cooling Initiative. Eine Initiative, die "Cooling-Experten" weltweit und einen Erfahrungsaustausch darüber initiiert, was bei bisherigen IKI Projekten im Bereich der nachhaltigen Kälte-Technologien gesammelt wurde.

Die Green Cooling Webseite (extern, englisch) ist zugleich Plattform für diesen Austausch. Auf der Seite stehen zudem zahlreiche Informationen zu nachhaltigen Technologien im Kälte-Sektor sowie länderspezifische Emissionsdaten zum Abruf bereit.

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Kontakt

IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

iki-office@z-u-g.org

Videos zum Projekt

Keniasche Fischer auf dem Viktoriasee; Foto: G. Ketels

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Foto: DW

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