07.08.2024

Bekämpfung der Entwaldung inmitten des Kriegs im Sudan

Wüste
Die sich ausbreitenden Wüsten bedrohen Ökosysteme und Menschen im Sudan.

Alwiua Serelkhatim Mohammed Babiker leitet eine Jugend-Initiative zur Bekämpfung der Entwaldung in der Region rund um den Fluss Atbara im Sudan. Das Ziel: die Wiederherstellung der Umwelt und die Verbesserung der Lebensgrundlagen.

Im Rahmen des IKI-Projekts „Aktionen für regionale Klimahilfe“ haben lokale Jugendorganisationen mit dem Entwurf umfassender nationaler und regionaler Strategiepapiere herausragende Ergebnisse erzielt. Mit diesen möchten sie die wesentlichsten Gefahren für das Klima in ihren Regionen angehen.

In diesem Interview spricht Alwiua Serelkhatim Mohammed Babiker, eine der Teilnehmerinnen, über ihr nationales Strategiepapier. Eines der wesentlichsten Klimaprobleme, vor denen der Sudan heute steht, ist die Entwaldung, die durch den anhaltenden Bürgerkrieg weiter verschlimmert wird. Dieses Interview zeigt, wie sich das Problem auf die Menschen vor Ort auswirkt, und was sie tun, um diese Widrigkeiten abzumildern.

Was hat Sie dazu inspiriert, sich in Ihrem Strategiepapier auf die Entwaldung zu konzentrieren?

Alwiua Serelkhatim Mohammed Babiker: Die Entwaldung hat die biologischen Systeme im Nordsudan schwer beeinträchtigt, insbesondere im Gebiet des Atbara, wo ich lebe. Der Boden ist bis zu vier Meter hoch mit Sand bedeckt, das entspricht der Höhe eines Baums. Dieser Sand bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 15 Metern pro Jahr in Richtung Nil und Atbara. Was mir große Sorgen bereitet, ist, dass sich die Rumaila-Dünen mittlerweile bis in die Mitte des Nils erstrecken und die Erosion an seinen Ufern noch verstärken.

Sandstürme sind zu einem ganzjährigen Phänomen geworden, die Temperaturen steigen jedes Jahr mehr und mehr an, und Dürren sowie die extremen Wüstenbedingungen haben das Leben in einigen Gebieten unmöglich gemacht. Anfangs versuchte ich, diese Veränderungen als natürliche Phänomene zu verstehen, aber die Situation hat sich durch steigende Pegel des Nils und häufige Überschwemmungen von Jahr zu Jahr verschlechtert. Ganze Dörfer mussten aufgegeben werden, weil die Lebensgrundlagen zerstört wurden. Das hat mich dazu veranlasst, ein Strategiepapier zu diesem Thema zu verfassen. Im Laufe des Projekts wurde mir bewusst, wie komplex das Problem ist und, dass gemeinsame Anstrengungen und die Zusammenarbeit mit Vereinen, Gewerkschaften, Organisationen und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern hier in der Region notwendig sind, um das Gebiet wieder aufzuforsten.

Können Sie uns etwas über Ihren Hintergrund erzählen und wie das Ihr Interesse an Umweltthemen beeinflusst hat?

Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Landwirtschaft. Während meiner Zeit in der Grundschule und auf der weiterführenden Schule war ich Mitglied in landwirtschaftlichen Vereinen, und während der Sommerferien gab mir mein Vater ein kleines Stück Land in unserem Garten. Dort habe ich Kartoffeln, Wassermelonen, Zierbäume und Blumen angepflanzt.

Nach meinem Universitätsabschluss arbeitete ich ehrenamtlich bei verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Atbara, wo ich lebe. Seit 2013 arbeite ich mit dem sudanesischen Roten Halbmond, der Organisation Nafir, We Are All Values sowie den Jugendlichen von Atbara zusammen, um den von Überschwemmungen betroffenen Menschen humanitäre Hilfe zu leisten. Zu meinen Aufgaben gehörte es, zu unterstützen, Material und Sachspenden zu sammeln und Feldbesuche vor Ort durchzuführen, um die betroffenen Gebiete zu beurteilen. Dabei habe ich mich insbesondere auf die Bereitstellung der Gesundheitsversorgung für Frauen und Mädchen konzentriert.

Diese Erfahrungen haben mein Bewusstsein für den Klimawandel und Umweltprobleme geschärft. Jetzt engagiere ich mich für die Verbesserung des Klimas. Zu diesem Zweck verteile ich Setzlinge an Schulen, in Moscheen und auf Märkten, um sie zu pflanzen und zu pflegen.

Warum ist es Ihrer Meinung nach notwendig, diese Maßnahmen auf lokaler und nationaler Ebene durchzuführen?

Wir müssen uns auf die Wiederaufforstung und eine nachhaltige Landwirtschaft konzentrieren, um die Ausbreitung der Wüste einzudämmen und das verbleibende Ackerland zu erhalten. So können wir die Artenvielfalt gewährleisten, die lokale und nationale Nahrungsmittelproduktion sowie die wirtschaftliche Sicherheit durch Exporteinnahmen erhöhen.

Wie stellen Sie sich die Durchführung Ihrer Strategieempfehlungen zur Verbesserung der Situation in der Region um den Atbara vor?

Das Gebiet rund um den Atbara ist aufgrund seiner Dichte an Weide- und Ackerland von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaft des Landes. Es wurde jedoch durch den vordringenden Sand und die Abwanderung der Menschen stark beeinträchtigt. Ich bin davon überzeugt, dass die Wiederaufforstung und die Bodenbehandlung durch Stabilisierung der Sanddünen mit Gras, Obstbäumen und Schatten spendenden Bäumen das Wüstenklima in den nächsten zwei bis fünf Jahren deutlich verbessern wird.

In den jüngsten Empfehlungen wurden Umweltschäden aufgezeigt, die zuvor als natürliche Klimabedingungen abgetan wurden. Es ist unerlässlich, dass die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in der Politik diese erheblichen Auswirkungen erkennen und angehen.

Wie haben die Schulungen und die Betreuung, die Sie im Rahmen der Projektaktivitäten erhalten haben, dabei geholfen, dieses Strategiepapier zu entwickeln?

Das Projekt hat mir geholfen, meine Fähigkeiten zu verbessern. Ich konnte viele wertvolle Kontakte knüpfen und wichtige Erkenntnisse gewinnen – sowohl über meine Ausbilderinnen und Ausbilder als auch über andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wir haben uns täglich über die WhatsApp-Gruppe ausgetauscht, um über unsere Strategien zu diskutieren und uns gegenseitig bei der Entwicklung und Ausarbeitung zu unterstützen. Diese Arbeit war sehr nützlich – mit jedem Entwurf wurde mir mehr und mehr bewusst, wo meine Stärken und Schwächen liegen, und welche Fähigkeiten ich hatte und noch brauchte, um ein prägnantes und effektives Strategiepapier zu schreiben.

Können Sie uns ein Beispiel für eine wichtige Erkenntnis oder Fähigkeit nennen, die Sie aus dem Projekt gewonnen haben und die besonders nützlich war?

In dem Kurs über den aktuellen Konzeptrahmen für die Hauptregion (Sudan und Ägypten) ging es darum, zu verstehen, welche Auswirkungen die Ausbreitung der Wüste – die Thema meines Strategiepapiers ist – auf lokaler und regionaler Ebene hat. Ich habe umfangreiche Recherchen angestellt, um herauszufinden, wie sich die Ausbreitung der Wüste auf verschiedene Gebiete in ganz Afrika auswirkt. Anfangs hatte ich nicht realisiert, dass die Wüstenbildung ein so länderübergreifendes Problem ist, das viele Gebiete betrifft – nicht nur regional, sondern auch global. Diese Erfahrung hat meine Kompetenzen in der wissenschaftlichen Forschung erheblich verbessert und ist bei der Entwicklung von Forschungsarbeiten von unschätzbarem Wert.

Was ist Ihnen bei dieser Erfahrung besonders von Nutzen?

Alle Phasen des Projekts waren für mich von Nutzen, aber die wertvollste Erfahrung war das Simulationsspiel, das CRISP e.V. zu Beginn des Projekts entwickelt hat. In dem Spiel spielte ich eine entscheidende Rolle als Umweltschützerin in einem Dorf, was mir eine neue Perspektive auf den Lösungsansatz für das aktuelle Problem gab. Darüber hinaus waren die Diskussionen über die Entwicklung von Strategiepapieren mit der Jugendgruppe aus Ägypten unglaublich nützlich für die Teamarbeit und das Finden gemeinsamer Ideen. Trotz der Vielfalt der Themen konzentrierte sich unsere Zusammenarbeit darauf, wie wir den Klimawandel wirksam bekämpfen können.

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Kontakt

IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

iki-office@z-u-g.org

Interviewpartnerin

Porträt von Alwiua Serelkhatim Mohammed Babiker

Alwiua Serelkhatim Mohammed Babiker engagiert sich seit 2013 ehrenamtlich im Bereich der humanitären Arbeit und gründete 2020 die Leaders Organization for Sustainable Development. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, die Ziele für nachhaltige Entwicklung im sudanesischen Nilflussstaat zu verwirklichen, indem sie die Kompentenzen der lokalen Gemeinschaft aufbaut, insbesondere in Bezug auf den Klimaschutz.

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